: Andrea Nagele
: Grado in Angst Ein Adria Krimi
: Emons Verlag
: 9783987071515
: Adria Krimi
: 1
: CHF 9.80
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein tiefenpsychologischer Pageturner, der unter die Haut geht. Gianluca Pirandelli, ein charmanter Arzt, der vor drei Jahren eine gynäkologische Praxis nahe Grado eröffnet hat, steht unter Tatverdacht: Mehrere seiner Patientinnen starben, nachdem sie bei ihm in Behandlung waren. Maddalena Degrassi ist durch den Tod einer Freundin persönlich betroffen und stürzt sich in die Ermittlungen, die erschreckende Wahrheiten zutage fördern. Bald überschlagen sich die Ereignisse, und die Commissaria muss mehr als einen Täter stellen.

Andrea Nagele leitete über ein Jahrzehnt ein psychotherapeutisches Ambulatorium. Heute arbeitet sie als Autorin und betreibt in Klagenfurt eine psychotherapeutische Praxis. Sie pendelt zwischen Klagenfurt am Wörthersee, Grado und Berlin. www.andreanagele.at

1

Ich schlurfe in meinen ausgetretenen Latschen über den altmodisch gemusterten Linoleumboden.

Die Sohlen geben bei jedem Schritt ein grauenvolles Quietschen von sich.

Warum trage ich die jahrzehntealten verblichenen Prada-Flip-Flops?

Wohin will ich überhaupt?

Der Weg dehnt sich unendlich lang vor mir aus.

Rechts und links begrenzen kahle Wände, durchbrochen von Zimmertüren, den schmalen Flur.

Halt.

Da war doch eben in einem Kästchen neben der Tür die Zahl Elf zu lesen gewesen, und als hätte man sie vergessen, kam anschließend nicht die Zwölf, sondern die Dreizehn.

Ach! Ich schlage mir auf die Stirn. Die Zwölf ist ja hier in meinem Land, in Italien, genau wie die Siebzehn eine Unglückszahl.

Bin ich in einem Krankenhaus gelandet?

Hatte ich einen Unfall?

Bin ich Patientin oder Besucherin?

Um diese Frage werde ich mich später kümmern.

Zuerst und unabhängig davon muss ich einen bestimmten Raum finden.

Nirgendwo begegnet mir eine Krankenschwester, ein Pfleger oder ein Weißkittel aus der Ärzteschaft. Und das Licht ist so dämmrig, dass ich meine Augen zusammenkneife, in der irrigen Annahme, dadurch besser sehen zu können.

Kein Laut dringt zu mir.

Die Stille nimmt mir den Atem.

Sie vermittelt Gefahr.

Jetzt weiß ich wieder, wohin ich will.

Zimmer siebzehn ist mein Ziel.

Da liegt sie.

Und sie erwartet mich sehnlich.

Also bin ich die Besucherin und sie die Patientin.

»Hallo«, sage ich leise, falls sie vor sich hindämmert, wie so häufig in letzter Zeit. »Ich setze mich neben dich und warte, bis du aufwachst. Ich habe alle Zeit der Welt, und die will ich mit dir verbringen.«

Zum Glück hat sie ein Einzelzimmer. Ihr Mann war immer schon großzügig und hat sie nach der Heirat in seine Privatversicherung mit hineingenommen.

»So ein netter Typ«, flüstere ich aus dem Zusammenhang gerissen, und da wieder keine Antwort von ihr kommt, nehme ich an, dass sie schläft.

Vorsichtig lasse ich mich auf dem Bettrand nieder, um unmittelbar wieder aufzuspringen.

Da ist nur ein Laken, ein weißes, das sich über eine Matratze spannt.

Sonst nichts.

Weder die Kontur eines Körpers noch dessen Abdruck zeichnet sich ab.

Das Bett ist leer.

Die beiden Fensterflügel sind weit geöffnet und gähnen auf einen Parkplatz hinaus.

Schreiend reiße ich die Tür auf, laufe auf den Flur, verheddere mich in meinen Schlappen und begegne einer älteren Schwester mit einer Hornbrille