: Elia Barceló
: Töchter des Schweigens
: Piper Verlag
: 9783492953122
: 1
: CHF 9.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 432
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Freundschaft verbindet - und kann zur tödlichen Bedrängnis werden. Margarita, Ana, Magdalena, Teresa, Carmen, Candela und Soledad: Sie haben ihre Kindheit zusammen verbracht, gemeinsam die Liebe entdeckt, Pläne geschmiedet und einander vertraut. Und sie teilen ein Geheimnis: ein schreckliches Erlebnis in der Vergangenheit. Etwas, das in einer mallorquinischen Nacht geschah, dass sie alle zu Schuldigen macht und ihr Leben bestimmt. Als sie sich nach vielen Jahren wiedersehen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, werden alte Gefühle neu entfacht. Bis eine von ihnen unter rätselhaften Umständen ihr Leben verliert. Und auf einmal wird das, was einst geschah, zur gefährlichen Bedrohung.

Elia Barceló, in Elda bei Alicante geboren, lebt seit vielen Jahren in Innsbruck, wo sie an der Universität spanische Literatur unterrichtet hat. Sie ist mit einem Österreicher verheiratet und hat zwei Kinder. Bereits mit ihrem ersten auf Deutsch erschienenen Buch 'Das Geheimnis des Goldschmieds', dem die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen 'unwiderstehlichen Sog' bescheinigte, gelang ihr ein großer Erfolg, an den sie mit ihren weiteren Büchern anknüpfen konnte.
Meiner Schwester Concha für die vielen gemeinsamen Erinnerungen   Die Clique vom 28sten   Margarita Montero Juan (1974 Marga, 2007 Rita) Magdalena Santos López (1974 Magda, 2007 Lena) María Teresa Soler Rey (1974 Tere, 2007 Teresa) Soledad Ortiz Rosell (1974 Sole, 2007 Marisol/Sole) Candelaria Alcántara de Frías (Candela) María del Carmen Navarro Martínez (Carmen) Ana María Rodríguez Pozo (Ana)   Alle Figuren und Umstände dieses Romans sind meine Erfindung. Eventuelle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig, obwohl dem Teil der Geschichte, der 1973/74 spielt, natürlich einige persönliche Erfahrungen zugrunde liegen. Was Bars, Diskotheken et cetera in meiner Heimatstadt Elda oder auf Mallorca angeht, habe ich mir die Freiheit genommen, echte und erdachte Namen zu mischen. Auch habe ich den Fahrplan der Fähre geändert, die 1974 zwischen Alicante und Palma de Mallorca verkehrte, um ihn bestimmten Erfordernissen der Erzählung anzupassen. Ich möchte all denen danken, die mich durch eine prägende Lebensphase, meine Gymnasialzeit, begleitet haben, meinen Klassenkameraden und -kameradinnen ebenso wie Lehrern und Lehrerinnen, die, manche im positiven, manche im negativen Sinn, Einfluss auf meine Entwicklung genommen haben, indem sie mir Beispiele für nachahmenswerte oder verwerfliche Verhaltensweisen lieferten. Viele von ihnen habe ich seither nie wieder gesehen, widme ihnen aber mit diesen Seiten meine Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit und wünsche ihnen, dass die Zukunft, von der wir damals träumten und die heute unsere Gegenwart ist, ihnen wenigstens einen guten Teil dessen beschert hat, was sie sich erhofften. E. B.   Old sins cast long shadows. Alte Sünden werfen lange Schatten.   Englisches Sprichwort   Was ich getan habe, was ich tun werde, ist nicht mehr von Bedeutung: Im Leben, im Traum, in schlaflosen Nächten bin ich nichts weiter als die nagende Erinnerung an diese Taten.   Adolfo Bioy Casares El perjurio de la nieve   Aus den Aufzeichnungen von Candela Alcántara   Stell dir deine Geburt folgendermaßen vor: Du wirst nicht geboren, wenn man dich dem Mutterleib entreißt. Was da geboren wird, ist ein Potenzial, ein winziges Wesen, das zu nichts weiter imstande ist, als nach Nahrung, Wärme und Zuneigung zu verlangen. Von den Erwachsenen um dich herum lernst du nach und nach, wer du bist, wo du lebst, wie deine Welt ist. Und die Welt ist wie ein gewaltiges Schloss, voller Reize, voller Gefahren, ein verwunschener Ort, wo alles fremd und geheimnisvoll ist. Aber sie sind da, um dir zu zeigen, wo du spielen kannst, was du meiden musst, was dir zuträglich ist und was nicht. Du stellst nichts infrage, ziehst keine Vergleiche, die Dinge sind, wie sie sind, du greifst zu und genießt sie, wenn du Glück hast. Wenn du Pech hast, selbst wenn du das noch gar nicht weißt, erduldest du sie, nimmst sie hin und forschst weiter. Eine nach der anderen öffnen sich dir die Türen zu Räumen, deren Zweck dir kaum begreiflich ist, und, geführt von den Erwachsenen, durchwanderst du zuerst das Erdgeschoss, steigst dann, höher, immer höher, die steile Treppe hinauf, riesige Stufen aus Ebenholz und Elfenbein wie die Tasten eines Klaviers, das deine anfangs zaghaften und, je größer du wirst, immer festeren Schritte zum Klingen bringen. Irgendwann kennst du das Schloss, oder zumindest glaubst du das. Du kennst die Anordnung der Zimmer, findest dich mühelos in den gewundenen Gängen zurecht, weißt, was sich hinter jeder geschlossenen Tür verbirgt. Die Geräusche des Hauses sind dir vertraut und seine Düfte und sein Gestank. Und eines schönen Tages nehmen die Menschen, die dich am meisten lieben, die dich bis zu diesem Augenblick begleitet haben, plötzlich deine Hand und sagen dir in diesem geheimnisvollen Flüsterton, auf den du seit Langem sehnlich gewartet hast, dass es nun so weit ist, dass der Moment gekommen ist, das Labyrinth kennenzulernen. Du hast immer gewusst, dass es im Schloss ein Labyrinth gibt. Du hast die Großen davon reden hören, wenn du dich bei ihren endlosen Alte-Leute-Gesprächen gelangweilt hast. Du hast sie jammern, fluchen, weinen und sinnlose Mutmaßungen darüber anstellen hören, wie der Weg hätte verlaufen können. Und immer hast du gewusst, dass du es schaffen wirst, dass für dich kein Labyrinth zu schwierig ist, weil du anders bist, besser als sie alle, weil du jung bist und niemals zurückblicken wirst. Zuweilen befindet sich das Labyrinth im Keller des Schlosses, zuweilen unter dem Dach, immer weit weg, außerhalb deiner Reichweite, sodass du es bequem vergessen kannst, während du wartest, bis die Reihe an dir ist. Doch jetzt ist es da, vor deinen Augen, und es ist immer das Gleiche: ein einladend geöffnetes Tor, ein kleiner hell erleuchteter Vorraum mit mehreren geschlossenen Türen. Manchmal sind es nur zwei, manchmal so viele wie in einem Hotelflur, und du rührst dich lange nicht von der Stelle, siehst dir alles genau an, versuchst, dich zu entscheiden, deinen Weg zu wählen. Dann verschwinden die Erwachsenen und lassen dich vor dem Labyrinth allein. Hinter dir geht das Licht aus, und du weißt, dass es kein Zurück gibt, dass du ihnen wiederbegegnen wirst, wenn du die richtigen Türen wählst, aber dass es nie mehr dasselbe sein wird, denn das Schloss wird sich verändern, während du im Labyrinth bist, und die Menschen werden sich verändern, auch wenn du sie immer wiedererkennen wirst. Was du nicht weißt, ist, dass auch du dich verändern wirst. Sie haben es dir gesagt, aber du hast es nicht verstehen wollen. Sie haben dir gesagt, dass du wachsen, reifen und eines Tages so sein wirst wie sie. Und du hast ihnen nicht glauben wollen. Dennoch weißt du jetzt, dass es so ist, und mit einem Mal hast du Angst, solche Angst, dass du am liebsten kehrtmachen und dich zurück in das Schloss flüchten möchtest, in dem du dich auskennst, obwohl das hieße, dich nicht im Labyrinth zu beweisen, niemals die Kammer im Zentrum zu erreichen, die den Besten vorbehalten ist, diese Kammer, die zugleich ein Garten ist, dessen Bäume Früchte aus Edelsteinen tragen. Plötzlich schreckt dich der Gedanke, dass du - selbst wenn du die Kammer findest - danach noch den Ausgang auf der anderen Seite suchen musst und dass jenseits davon das große Unbekannte liegt, das dir noch nie jemand in Begriffen geschildert hat, die du hättest verstehen können. Du blickst zurück, und das Schloss mit seinen behaglichen Zimmern, die im Lauf der Jahre immer kleiner und vertrauter geworden waren, ist verschwunden, verschluckt von der Finsternis, und dir bleiben nur das Licht, das dir entgegenleuchtet, die geschlossenen Türen und der Weg nach vorn. Irgendwann öffnest du eine der Türen, und sobald sie sich hinter dir schließt, weißt du, dass du zum letzten Mal hindurchgegangen bist, dass du eine Entscheidung getroffen hast, dass der Raum, den du vor dir siehst, jetzt die Realität ist, die du erobern, d