: Helmut Lauschke
: Frauen der Bildung und der Menschlichkeit Von Frauen, die das Vorbild gaben
: neobooks Self-Publishing
: 9783742717825
: 1
: CHF 6.10
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: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 121
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von Frauen, die das Vorbild gaben. Es ist das Verständnis mit dem Mut zur Liebe und dem Opfer für den andern, das dem Menschen im Elend und der Not die Willenskraft zum Leben mit dem Überleben gibt. Stadtkommandant Ilja Igorowitsch Tscherebilski: 'Ich habe durch Major Woroschilow erfahren, dass Frau Elisabeth Hartmann die Jüdin ihrer Familie ist, die für gestorben erklärt und über viele Jahre auf einem Bauernhof vor den Nazis versteckt gehalten wurde.' Eckhard Hieronymus: 'Dass meine Schwiegermutter das System der Judenausrottung überlebt hat, das verdanke ich einem Standesbeamten in Breslau, der die Einsicht und den unglaublichen Mut hatte, eine offizielle Todesbescheinigung mit Stempel und Unterschrift auszustellen. Wenn er die Ausstellung der Bescheinigung verweigert hätte, was doch die meisten Beamten taten, wenn es sich um die Rettung jüdischer Menschen handelte, dann wäre auch diese herzensgute Frau längst vergast worden.' Kommandant: 'Ich muss gestehen, dass ich den Mut zutiefst bewundere, den einige Deutsche gegen das Terror- und Vernichtungssystem bewiesen haben. Es ist eben nicht so, dass alle Deutschen dem tyrannischen Wüterich und seinen verblendeten Vasallen blindlings nachgelaufen sind. Lydia Grosz: 'Nun soll das neue Kapitel unserer Völker geschrieben werden. Deshalb sind Sie hier, um mit dem Brahms-Konzert zur Verständigung und Aussöhnung beizutragen. Das ist eine verantwortungsvolle, antwortschwere, aber ehrenwerte Aufgabe im Sinne des Vermächtnisses des Nathan dem Weisen, die auf Sie wie auf die Künstler unserer Völker zukommt. Kennen Sie die Vorgeschichte des Nathan?' Boris: 'Nein, die kenne ich nicht.' Frau Grosz: 'Lessing war als Bibliothekar der Wolfenbütteler Bibliothek mit dem hamburgischen Hauptpastor Götze in einen literarisch-theologischen Streit geraten. Der Streit ging um die Freiheit der Forschung in religiösen Fragen, der soviel Aufsehen erregte, dass der Bibliothek (im Juli 1778) durch Kabinettsbefehl weitere Veröffentlichungen verboten wurden. Durch diesen Befehl ließ sich Lessing jedoch nicht mundtot machen. Er verfasste den Nathan und hoffte, dem Theologen einen 'ärgeren Possen' zu spielen als mit den zuvor verfassten zehn Fragmenten, die den Streit auslösten. Die Literatur von heute geht aus den Brennpunkten hervor, die den Gang der Menschheit bis in die Tiefen ihrer Wurzeln der Biologie und Kulturen bedrohen, erschüttern und zerreißen.

• 1985-1998 Arzt und Chirurg/Unfallchirurg am Hospital in Oshakati (im Norden Namibias nahe der angolanischen Grenze)• entwickelte eine Operationsmethode, Kindern mit chronischer Schienbein-Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung) den langen Knochendefekt nach Sequesterentfernung mit vitalem Knochen aus dem Wadenbein zu schließen und so das Bein vor einer Amputation zu retten. (publiziert April 1994 im American 'The Journal of Bone and Joint Surgery')

Lydia Grosz




Hoffnung und Zuversicht wurden “festgetönt”. Sie wurden im Schlussakkord des B-Dur mit der Fermate verankert, als stünde der Himmel mit der Erde im Einklang, wären die Sterne greifbar, wäre der Himmel bereits auf Erden. So klang das 2. Klavierkonzert von Brahms in der Warschauer Philharmonie unter der großartigen Stabführung seines hoch musikalischen Meisters aus.

Wiktor Kulczynski ordnete eine Pause von dreißig Minuten an, die er dazu nutzte, ein informatives Gespräch mit Boris zu führen. Die Mitglieder des Orchesters verließen die Bühne, um sich im Foyer eine Zigarette anzustecken und im kleinen Getränkeladen außerhalb der Philharmonie eine Tasse Kaffee oder ein Erfrischungsgetränk anderer Art zu beschaffen. Kulczynski: “Herr Baródin, ich möchte ihnen mein Kompliment machen; ihr Spiel hat mit sehr gut gefallen. Das Andante habe ich noch nie so schön spielen gehört wie von ihnen. Das haben Sie den ganz hohen Standard nicht nur erreicht, Sie haben ihn mit ihrem Spiel übertroffen. Darf ich fragen, wann Sie zuletzt das Brahms’sche Konzert gespielt haben?” Boris: “Es war vor einem dreiviertel Jahr, als ich es in der Carnegie Hall in New York unter Bernstein gespielt habe. Dann habe ich es im Leipziger Gewandhaus unter Sir Solti gebracht.” Kulczinski: “Ich gehe davon aus, dass auch diese beiden großen Dirigenten von ihrem Vortrag begeistert waren.” Boris: “Bernstein schlug mir mit einem breiten Lachen und der Bemerkung auf die Schulter: “Boris, das war große Klasse”. Sir Solti machte es auf seine feine Art; er lächelte mir zu, gab mir die Hand und sagte: “Brahms würde sich freuen, von einem Pianisten so gut verstanden worden zu sein. Ich gratuliere ihnen zu ihrem Spiel.” Kulczynski: “Den beiden kann ich mich nur anschließen, denn ihr Vortrag hatte Weltklasse. Sie wissen, dass Brahms für uns Polen nicht so leicht zu spielen ist wie Mozart, Tschaikowsky oder Mendelssohn Bartholdy, weil er ganz deutsch im Beethoven’schen Sinne geschrieben hat. Aber Sie haben uns mit ihrem Spiel ganz eingenommen, haben uns mitgerissen, haben uns den guten Brahms auf ihre Weise lieben gelernt. Das ist ein Verdienst, das ihnen zukommt, wofür ich, auch im Namen der Philharmonie, ihnen meinen Dank ausspreche.” Boris: “Nun übertreiben Sie aber, Maestro Kulczynski. Denn selten habe ich ein so inniges Zusammenspiel mit einem Orchester erlebt wie mit der Polnischen Philharmonie.” Kulczynski: “Sehr freundlich von ihnen. Doch, das darf ich sagen, wir haben uns auf ihr Kommen gefreut und uns auch gründlich vorbereitet.” Boris: “Das habe ich mit großer Freude gespürt.”

Kulczynski: “Lieber Baródin, im Saal sitzt meine Schwester. Sie war neugierig, ihr Spiel zu verfolgen und würde sich sehr freuen, Sie persönlich kennenzulernen. Würden Sie das tun und mir die Ehre geben, Sie meiner Schwester vorzustellen?” Boris: “Das tu ich gern. Es ist mir eine Ehre.” Er drehte sich dem Saal zu und sah in der fünften Reihe eine alte Dame in dunkler Bekleidung und schneeweißem Haar. Sie gingen die sechs Stufen herab und auf die fünfte Reihe zu.

“Lydia”, sagte Wiktor Kulczynski, als sie die fünfte Sitzreihe erreichten, “darf ich dir Herrn Baródin vorstellen? Das ist meine Schwester Lydia Grosz.” Boris verbeugte sich vor der Dame, als sie ihm ihre Hand entgegenhielt und sie sich die Hände gaben. “Ich freue mich, Sie kennenzulernen”, sprach sie in fehlerfreiem Hochdeutsch, “ich habe viel von ihnen gehört und in den Kritiken über Sie gelesen.” Boris: “Hoffentlich waren Sie dann nicht enttäuscht.” “Nein, ganz im Gegenteil, Sie sind ein großartiger Pianist, davon konnte ich mich heute morgen persönlich überzeugen. Selten habe ich das Brahms-Konzert so eindrucksvoll erlebt wie bei ihrem Spiel. Ich habe das Konzert noch von Kempff, Horowitz und Goulda gehört. Denen stehen Sie nicht nach. Das ist bei ihren jungen Jahren eine Leistung, die Anerkennung verdient!”. Wiktor Kulczynski, ihr Bruder strahlte bei dem Kompliment seiner Schwester, auf deren Urteil er offensichtlich großes Gewicht legte, Boris an: “Nun hören Sie es von meiner Schwester, die sehr kritisch ist und in ihren jüngeren Jahren selbst eine hervorragende Pianistin war.” Boris sah der Dame hilflos in die Augen, denn ihm fiel eine bessere Antwort nicht ein als: “Vielen Dank! Das ist sehr freundlich von ihnen.” Lydia Grosz: “Herr Baródin, ich würde Sie gerne zum Tee in meinem Haus einladen. Wäre es ihnen möglich, zwischen fünf und sechs bei mir zu sein? Dann können wir uns ein wenig unterhalten. Ich habe erfahren, dass Sie im Polnischen Hof sind. Ich wohne in der Pesulski Straße 17. Diese Straße führt direkt zu ihrem Hotel. Wenn Sie aus dem Hotel kommen, sind es etwa vierhundert Meter.” Boris hatte eigentlich vorgehabt, sich mit Vera zu treffen, wusste aber nicht, ob sie am Abend frei hatte: “Es wäre mir eine große Ehre, Sie in ihrem Hause besuchen zu dürfen.” Lydia Grosz: “Dann sehen wir uns zwischen fünf und sechs.”

Das Orchester versammelte sich auf der Bühne, um die Probe fortzusetzen. Auf dem Programm stand Tschaikowsky’s Fünfte in e-Moll, Opus 64. Wiktor Kulczynski hatte sich auf’s Podium begeben und blätterte in der Partitur. “Nehmen wir uns nun die Fünfte vor. Es ist ein gr