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Die Lichter von Frankfurts Skyline glommen hinter den Fensterscheiben des Krankenzimmers. Alexander Wenger lag bis auf Kopf, Schultern und den linken Arm unter einer weißen Decke. Eine Kanüle steckte in seiner Armbeuge. Der Schlauch daran führte in eine Apparatur mit der AufschriftGaia Health – Patient Terminal, von der dünnere Röhren zu einer Halterung voller Fläschchen liefen. Auf dem Monitor über der Maschine erschien eine grün blinkende Schrift, begleitet von einem sanften Piepsen:
Rezeptur 44A
Alexander Wenger
Mischung der Komponenten
DasPatient Terminal aktivierte sich, erkennbar am anschwellenden Sirren seiner Mikropumpen. Einige der Schläuche zuckten. Ein weiteres Piepsen bestätigte die Fertigstellung von Rezeptur 44A. Nun zitterte die Röhre, die zu Wengers Arm führte. Der Patient selbst schien davon nichts zu bemerken. Seine Augen blieben geschlossen, die Miene unverändert gleichmütig. Der Schmerzrepressor in 44A ermöglichte ihm einen friedlichen Schlaf, der andauerte, bis die Wolkenkratzer draußen im Morgenlicht aufglühten.
Jette Blomberg las die Nachricht, die halbtransparent in ihrem Blickfeld erschien, während ihre Schuhsohlen weiter auf dem Boden des Korridors klackerten. »Sofort zu mir!«, las die Ärztin der onkologischen Station des Klinikums Frankfurt. Seufzend machte sie kehrt, stapfte zum Aufzug und fuhr in den vierten Stock, in dem das Büro des Klinikdirektors Martin Sommer lag.
Dort angekommen, klopfte sie und trat ein.
Den massigen, stoppeligen Kopf gesenkt, mit dem feisten Zeigefinger auf der vor ihm ausgerollten Foil herumhackend, wies Sommer mit der freien Hand seine Besucherin an, sich zu setzen. Jette nahm auf dem gepolsterten Stuhl vor dem Schreibtisch Platz.
Minutenlang tippte und wischte ihr Boss weiter. Sie blickte sich im Büro um. Neben Sommers gerahmten Meriten hing ein Selfie des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Klinikverbunds Süddeutschland, Jörn Spiewalk. Arm in Arm, die Köpfe fast aneinander gelehnt, lächelten er und ein schmalbrüstiger, brillentragender Glatzkopf um die Vierzig dem Betrachter entgegen. Der Haarlose war Brent Scott, Gründer und Chef von Gaia, des konkurrenzlosen Cloudkonzerns des Westens. Dieser gutmütige Onkel hatte von seinem Bostoner Softwarebüro aus zuerst Amazon hinweggefegt, mit einer prognostischen KI, die den Kunden lieferte, was sie sich im Moment wünschten und die zugleich die Logistik verschlankte, also ein unschlagbar effizientes Geschäftsmodell schuf. Seine KI perfektionierte die vorausschauende Wartung und vernetzte Industriemaschinen optimal miteinander.Ein weiteres Feld, auf dem zuvor Amazon geglänzt hatte. Scotts nächster Coup war der nahtlose Zugang zur Cloud für alle gewesen. Das Technikgenie verschmolz die Kommunikationstechnik mit dem Körper und damit die digitale Welt mit der Wahrnehmung der Menschen. Dazu dienten etwa Kontaktlinsen mit eingebauten Displays, Kameras und einem automatischen Authentifizierungssystem, das die Netzhaut zum Ausweis der Person machte – niemand brauchte mehr zig Passwörter. Mit Gaias Technik und seinen Services schwamm man in einer neuen, weiten, bunten Welt, die zugleich saß wie ein Maßanzug. Alle wollte