4 - Danke, Antifa!
Der kurze Sommer der Diarrhoe
Mit meinem halben Dutzend Akkorden, die ich auf der Gitarre beherrschte, trieb mich lange Zeit die Idee um, eine Band zu gründen. Mitte der 1990er setzte ich das Vorhaben mit drei Freundinnen in die Tat um. Zwar träumte ich eigentlich davon, den jamaikanischen Ska mit Punk zu mischen und damit auf die Bühne zu gehen, allerdings spielten alle Blechblasinstrumentalisten, die mir bekannt waren, entweder bereits in einer anderen Band oder beim Feuerwehrmusikzug. Wir blieben also beim soliden Punkrock, der, das sollten wir bald merken, zwar technisch anspruchslos schien, aber dennoch in der Lage war, uns unsere Unfertigkeiten vorzuführen. Anja, die mit mir dieselbe Realschulklasse besuchte und deren Gegenwart mich zum Genuss diverser Kinofilme motiviert hatte, besaß seit einigen Wochen eine E-Gitarre der MarkeNo Name und hatte sich schon dadurch qualifiziert, Teil dieser zukünftigen Kultcombo zu werden. Thomas, in dessen Keller wir probten, weil dort sein Schlagzeug stand, hatte zum Gründungstag gerade mal elf Lebensjahre auf dem Tacho. Und Jared, der immerhin schon einen Führerschein besaß, kaufte sich kurzerhand einen Bass – damit war auch er qualifizierter Teil der Band. Was wir mit unseren mehr oder weniger vertrauten Instrumenten anzufangen hatten, würde sich dann schon beizeiten noch ergeben. Wir schrieben schnell unsere ersten Stücke, die wir auf Deutsch und Englisch vortrugen. Inhaltlich würde ich das Ganze heute als politisch überbemühten und gleichzeitig ziemlich sexistischen Funpunk betiteln. Wir nannten das ganze Projekt selbstbewusstDiarrhoe, was dem lateinischen Fachbegriff für Durchfall entspricht, und coverten zusätzlich zu drei überragenden Eigenkreationen noch vier bekannte Deutschpunkschinken, von denen mir gerade nur nochHooligans von Hass einfällt, und Ben E. KingsStand by me. Woche für Woche trafen wir uns im Proberaum und übten.
Nach einigen Monaten wurde aus den vier Solistinnen tatsächlich so etwas wie ein einheitlicher Soundmatsch. Da kam die Anfrage aus meiner Klasse gerade recht, die nach einer Band für das anstehende Sommerfest suchte und dabei dankenswerterweise an Anjas und meine Kapelle dachte. Keiner hatte jemals gehört, was wir da wirklich machten. Sowohl die Klasse als auch wir sahen, freilich aus unterschiedlichen Gründen, gespannt dem Tag unseres Auftritts entgegen.
Die Feier fand in einem Weingut unter freiem Himmel statt. Das Weingut gehörte dem Stiefvater eines meiner Klassenkollegen, der uns die Gartenwirtschaft zur Verfügung gestellt hatte. Die Krux bei der Sache war allerdings, dass sich neben unserer Klasse auch ganz normale Kundschaft auf dem Anwesen befand. Menschen, die von Hamburg oder aus dem Elsass in die Pfalz fuhren, um sich inmitten der Weinbergidylle auf einem Winzergut authentisch mit Riesling zuzulöten. Letzteren Plan verfolgte wohl auch Jared, unser Bassist, denn bereits kurz vor unserem ersten Song war der nicht mehr als nüchtern zu bezeichnen, während Schlagzeuger Thomas gerade mit seiner Mutter aushandelte, ob er eine Cola trinken durfte.
Was bleibt zu erzählen? Wir spielten unser Set und sorgten so zwar einerseits für erstaunte Gesichter bei der Realschulklasse 10 E, andererseits aber auch dafür, dass das Weingut bald nur noch von uns belebt wurde. Der Bit