Kapitel 1
Romy hatte drei Tage beim Landeskriminalamt in Schwerin verbracht. Ihrer Ansicht nach hätte auch ein Tag gereicht, um sich als leitende Hauptkommissarin auf Rügen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen landesweiten Dienststellen mit neuen Fahndungsmethoden und aktuellen Erkenntnissen zur Drogenkriminalität zu beschäftigen. Doch Jan war anderer Ansicht gewesen und hatte sich nicht von ihr überzeugen lassen. Da er nicht nur ihr Ehemann – dem sie leicht und forsch hätte widersprechen können –, sondern auch als Leiter des Kriminalkommissariats Stralsund ihr Vorgesetzter war, hatte sie schließlich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen müssen. Seminaratmosphäre war so gar nicht ihre Welt, und sie zählte die Tage und Stunden herunter, bis sie sich wieder auf den Weg machen konnte.
Während der Rückfahrt herrschte unfreundliches Wetter – der Herbst hielt mit stürmischen Winden und Regen Einzug. Sie war dennoch bester Dinge und freute sich auf die Insel. Ihr letzter großer Fall hatte mitten in der Hochsaison für Aufsehen und viel Wirbel gesorgt und beschäftigte immer noch Beamte aus mehreren Behörden, die die Staatsanwaltschaft bei der Vorbereitung der Prozesse unterstützten. Das Team Rügen-Stralsund hatte sich gut geschlagen und eine Auszeit oder zumindest eine Verschnaufpause verdient, fand Romy. Max freute sich, in aller Ruhe seine Datenbanken zu sichten, neue Programme zu testen und seine fachspezifischen Kenntnisse zu ergänzen. In Kürze stand eine Software-Schulung des Teams auf dem Programm.
Kurz vor Stralsund vibrierte ihr Handy, und Jans Konterfei erhellte das Display. Romy aktivierte die Lautsprecherfunktion. »Gib es zu, du kannst es kaum abwarten, mich wiederzusehen!«, rief sie fröhlich.
»Das würde ich glatt unterschreiben«, erwiderte Jan, dann räusperte er sich leise. »Allerdings …«
Romy runzelte die Stirn. »Was ist los?«
»Wo genau bist du?«
»Wenige Kilometer vor Stralsund.«
»Dann komm doch bitte in der Dienststelle vorbei, und wir fahren gemeinsam auf die Insel. Es gibt Arbeit.«
Soweit zum Thema Auszeit. »Schlimm?«
»Ja. Bei Arbeiten an der Binzer Seebrücke ist eine Leiche entdeckt worden, genauer gesagt eine Wasserleiche. Kein schöner Anblick, wenn ich es richtig verstanden habe. Rechtsmedizin und Kriminaltechnik sind bereits auf dem Weg. Mehr weiß ich selbst noch nicht.«
Wasserleichen waren selten ein schöner Anblick, dachte Romy und gab Gas. »Okay, ich beeile mich.«
Brücke und Strand waren weiträumig abgesperrt, als Romy und Jan eine Dreiviertelstunde später eintrafen. Polizeiwagen und andere Behördenfahrzeuge blockierten die Zufahrt. Romy erkannte von Weitem Marco Buhl und seine Leute von der Kriminaltechnik, die am Brückenkopf beschäftigt waren, mehrere Männer in Arbeitskleidung sowie uniformierte Polizisten von der Dienststelle in Binz.
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