: Agnès Martin-Lugand
: Glückliche Menschen küssen auch im Regen Roman
: Blanvalet
: 9783641150259
: 1
: CHF 6.50
:
: Erzählende Literatur
: German
: 208
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Was bleibt, wenn man alles verliert, was man je geliebt hat?
Seitdem ihr Mann Colin und ihre Tochter Clara bei einem Unfall starben, lebt Diane zurückgezogen. Der Einzige, den sie in ihre Wohnung lässt, ist ihr Freund Félix, mit dem sie bis vor einem Jahr ein Literaturcafé betrieben hat. Eines Tages jedoch beschließt sie Hals über Kopf, Paris zu verlassen und nach Irland zu ziehen, was ursprünglich einmal Colins Traum war. Ihr Ziel heißt: Mulranny. In dem kleinen Dorf am Meer hofft sie ein neues Leben aufbauen zu können - an einem Ort, an dem Claras Lachen nie erklang. Sie hätte aber nie erwartet, dass es ausgerechnet im regnerischsten Kaff der Welt jemanden gibt, der wieder Licht in ihr Leben bringt ...

Agnès Martin-Lugand ist Psychologin und war sechs Jahre im Rahmen eines Kinderschutzprogramms tätig. Seit dem Überraschungserfolg von»Glückliche Menschen küssen auch im Regen« und»Abschiedsküsse zählt man nicht«widmet sie sich nur noch dem Schreiben. Agnès Martin-Lugand lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen in der Normandie.»Das kleine Atelier der Mademoiselle Iris«ist ihr dritter Roman bei Blanvalet.

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Maman, bitte!«

»Clara, ich habe Nein gesagt.«

»Ach, Diane. Lass sie doch mitkommen.«

»Colin, für wie blöd hältst du mich? Wenn du Clara mitnimmst, bummelt ihr herum, und wir fahren erst in drei Tagen in die Ferien.«

»Dann komm mit und pass auf uns auf!«

»Unmöglich. Siehst du denn nicht, was noch alles zu tun ist?«

»Ein Grund mehr, Clara mitfahren zu lassen, dann hast du deine Ruhe.«

»Maman!«

»Na schön! Ab mit euch! Dalli! Ich will euch nicht mehr sehen.«

Dann polterten sie durch das Treppenhaus davon.

Ich erfuhr später, dass sie noch herumgealbert hatten, als der Lastwagen sie erfasste. Sie sind mit einem Lachen gestorben, dachte ich. Und ich dachte, dass ich gern bei ihnen gewesen wäre.

Seit einem Jahr sagte ich mir jeden Tag, dass ich lieber mit ihnen gestorben wäre. Doch mein Herz hatte beharrlich weitergeschlagen und mich am Leben gehalten. Zu meinem größten Leid.

Ich hatte mich auf mein Sofa verkrochen und starrte in die Rauchspiralen meiner Zigarette, als die Wohnungstür aufging. Félix wartete keine Einladungen mehr ab, um mich zu besuchen. Er kam einfach so, praktisch ohne sich anzumelden. Und zwar jeden Tag. Wie war ich bloß auf den Gedanken verfallen, ihm einen Zweitschlüssel zu geben?

Ich erschrak bei seinem Eintreten, und Asche landete auf meinem Schlafanzug. Ich blies sie auf den Boden. Um ihm nicht bei seinem täglichen Aufräumen zusehen zu müssen, ging ich in die Küche und brachte meinen Koffeinspiegel wieder auf Stand.

Als ich zurückkam, war alles wie vorher. Die Aschenbecher quollen immer noch über, und auf dem Couchtisch war immer noch ein wildes Durcheinander von leeren Tassen, Take-away-Verpackungen und Flaschen. Félix saß im Schneidersitz da und sah mich an. Sein ernster Gesichtsausdruck brachte mich für einen Sekundenbruchteil aus der Fassung, aber am meisten überraschte mich seine Kleidung. Warum war er im Anzug gekommen? Was war aus seinen ewig löchrigen Jeans und den engen T-Shirts geworden?

»Wo willst du in diesem Aufzug hin? Hochzeit oder Beerdigung?«

»Wie spät ist es?«

»Das ist keine Antwort auf meine Frage. Es ist mir wurscht, wie spät es ist. Hast du dich so verkleidet, um irgendeinen Kerl aufzureißen?«

»Das wäre mir lieber. Es ist vierzehn Uhr, und du musst dich waschen und anziehen. In dem Zustand kannst du da nicht hin.«

»Wo soll ich hin?«

»Beeil dich. Deine und Colins Eltern wollen dort auf uns warten. In einer Stunde müssen wir da sein.«

Ein Schauer überlief meinen Körper, meine Hände begannen zu zittern, Galle stieg mir in die Kehle.

»Kommt nicht in Frage. Ich will nicht zum Friedhof. Verstanden?«

»Tu es ihretwegen«, sagte er sanft. »Erweise ihnen d