: Miriam Georg
: Das Tor zur Welt: Hoffnung Roman
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644012806
: Die Hamburger Auswandererstadt
: 1
: CHF 10.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 656
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwei Frauen, verschieden wie Ebbe und Flut. Verbunden durch das Schicksal und die Hoffnung auf ein besseres Leben ... Das dramatische Finale des neuen großen Zweiteilers von Bestsellerautorin Miriam Georg. Die Hafenmetropole Hamburg ist rettungslos überfüllt, es kocht wie in einem Kessel. Bei den Auswandererhallen werden mit den Hoffnungen der Menschen auf ein besseres Leben rücksichtslose Geschäfte gemacht. Hier arbeitet Ava - unermüdlich, Tag für Tag, nachdem ihre einzige Hoffnung zerschlagen wurde, in Amerika ihre Familie zu finden. Sie wurde gnadenlos hintergangen. Von der Frau, die ihr näherstand als eine Schwester. Trotzdem sorgt sie sich um Claire. Sie sucht nach ihr, überall, doch diese ist wie vom Erdboden verschluckt. Claire musste alles aufgeben, um sich zu retten. Sie musste Ava verraten, ihre Mutter verlassen, alle Brücken hinter sich abbrechen. Aber ihr Stolz und ihr Eigensinn helfen ihr durch die dunkelsten Stunden. Denn nun wird sie kämpfen. Gegen sich selbst. Um Ava. Um die Liebe. Und um ihr Leben. Zwei Frauen. Verbunden durch Freundschaft, getrennt durch Verrat. Nur zusammen können sie zu sich selbst finden. Die mitreißende Saga von Bestsellerautorin Miriam Georg. Für alle Leserinnen und Leser von Lena Johannson, Carmen Korn und Jeffrey Archer.

MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.

Teil 1


1912

Hamburg

1


Sie tastete im Dunkeln umher. Einen Moment überkam sie die grauenvolle Gewissheit, dass sie blind war. Nie wieder würde sie Farben sehen, nie wieder das Gesicht ihrer Mutter. Die Panik packte sie so fest, dass sie aufschrie und sich mit den Händen über die Augen kratzte.

Da spürte sie den Verband.

Ava fiel wieder ein, was passiert war, und mit einem Stöhnen ließ sie sich in die Kissen zurücksinken. Sie war schweißgebadet.

Jedes Mal, wenn sie einschlief, erwachte sie danach voller Angst. Jedes Mal vergaß sie, dass ihre Augen nur verbunden waren. Dass sie noch sehen konnte.

«Ich nehme Ihnen die Binde ja gleich ab. So langsam sollten Sie sich daran gewöhnt haben, oder nicht? Dass Sie sich aber auch immer so anstellen müssen.» Die Stimme der Schwester klang ungeduldig, beinahe scharf.

Ava konnte es ihr nicht verdenken. Sie war eine undankbare Patientin. Drei Wochen war es nun her, dass man sie operiert hatte. Und noch immer musste sie so oft wie möglich mit Kräutern getränkte Umschläge auf die Augen legen, um zu verhindern, dass sie sich entzündeten. Damit die Umschläge nicht verrutschten, band man sie nachts fest.

«Haben Sie gehört, dass Sie bald entlassen werden? Es dauert nicht mehr lang.» Schwester Karla hob ihren Kopf vom Kissen und löste die feuchte Binde.

«Was?» Ava blinzelte, und die Erleichterung, die Farben und das Licht zu sehen, das Zimmer um sie her und sogar das verkniffene Gesicht der Schwester war wie jeden Tag so groß, dass ihr ein Gewicht von der Brust zu fallen schien. «Aber ich bin doch gar nicht gesund.» Plötzlich hämmerte ihr Herz. Allerdings nicht vor Freude. So ungeduldig sie auch war, endlich das Krankenhaus verlassen zu dürfen, endlich ins Leben zurückzukehren, so sehr fürchtete sie sich auch davor.

«Ein wenig müssen Sie auch noch warten, aber die Entzündung ist unter Kontrolle. Sie können dann von Ihrem Hausarzt weiter behandelt werden.»

Ava hätte beinahe laut aufgelacht. Aber natürlich wusste die Schwester nicht, warum sie hier war und wie lächerlich dieser Gedanke schien. «Gut», murmelte sie und sank wieder in ihr Kissen zurück.

«Ich dachte, Sie machen Luftsprünge. So lange wie Sie hatten wir schon ewig niemanden hier. Zumindest nicht mit einem Trachom.»

«Danke, dass Sie mich daran erinnern», murrte Ava, und Schwester Karla warf ihr erst einen missbilligenden Blick zu, schmunzelte dann aber. «Ich werde Sie vermissen.»

«Werden Sie nicht», erwiderte Ava, musste dann aber ebenfalls lächeln.

Sobald die Schwester gegangen war, stand Ava auf, griff nach ihrer Strickjacke und tappte langsam zum Spiegel an der Wand. Weil ihre Krankheit einen so unerwartet schweren Verlauf genommen hatte und so ansteckend war, hatte sie die meiste Zeit über ein Einzelzimmer bewohnt. Anfangs war sie dankbar dafür gewesen, doch irgendwann waren die Stille und die Einsamkeit über sie hergefallen wie unsichtbare Wölfe, hatten sie halb wahnsinnig werden lassen in der Dunkelheit. Sie ha