Neuanfang und Berufsausbildung
In der damaligen russischen Besatzungszone schickten sich die Flüchtlinge aus den vielen Ländern an, der Familie eine neue Heimat zu schaffen. Dies betraf auch uns Bessarabiendeutsche. Die erlebten Grausamkeiten und Todesängste während der Flucht von Polen nach Deutschland hatten mich hart im Nehmen gemacht. Ich war der Älteste und spürte, dass ich Verantwortung für die Jüngeren tragen musste. Vor allem hatte ich für Mutter eine Stütze zu sein. Wenn es auch schmerzte, wieder unter einer neuen Gewaltherrschaft leben und arbeiten zu müssen, verdrängten wir doch die vorhandenen Realitäten.
Die Möglichkeit nach Baden-Württemberg umzusiedeln, wie es viele unserer Landsleute taten, wurde uns von der russischen Besatzungsmacht verweigert. An Unrecht, Gewalt und Bevormundung gewöhnt, beschloss ich, in der russischen Zone zu bleiben und die Landarbeit an den Nagel zu hängen. Der Bauer war meinen bescheidenen Lohnforderungen nicht nachgekommen, es kam dann zu Streitigkeiten.
Der Wunsch, einen Beruf zu ergreifen, nahm vollen Besitz von mir. Ich durfte ihn in Belzig beim Schmiedemeister Ernst Gottwald umsetzen. Nun schon als 17-Jähriger trat ich die dreijährige Lehre am 15. November 1947 an. So begann für mich ein neuer wichtiger Lebensabschnitt, der mich froh und glücklich stimmte.
Mein erster Eindruck in der Schmiede, der Meister beim Hufeisen schmieden
Zum ersten Mal in meinem jungen Leben konnte ich auf eigenen Beinen stehen und mein eigenes Geld verdienen. Der tägliche Weg zur Arbeit war beschwert, weil er mit einem Fußmarsch von drei Kilometern zur Eisenbahn nach Dahnsdorf verbunden war. Später bewältigte ich die Strecke mit einem Fahrrad, das mir durch ein Lebensmitteltauschgeschäft zum Eigentum wurde. Auf dieselbe Weise hat auch mein Freud Simon ein Fahrrad bekommen, denn mit Lebensmitteln war es 1947 möglich, alles zu bekommen. Weil sich Simon eine Lehrstelle als Schumacher beschaffte, fuhren wir beide täglich bei Wind und Wetter acht Kilometer nach Belzig zur Arbeit.
Das tägliche Miteinander ließ unsere Freundschaft noch enger werden, es entstand eine echte Kameradschaft, wozu auch Hugo zählte. Mein Freund Hugo war zunächst in der Landwirtschaft geblieben, erst später hat er den Beruf eines Lokomotivführers erlernt. Wir als Trio waren unzertrennlich und hatten inzwischen guten Kontakt zu der einheimischen Jugend gefunden.
In dieser alten Schmiede erlernte ich den Beruf eines Schmiedes
Wenn es zu Meinungsverschiedenheiten, Rangeleien und Handgreiflichkeiten mit der einheimischen Jugend gekommen war, brauchte man gute Freunde, um sich wehren zu können.
Der Pfarrer und Lehrer des Dorfes unterstützten die Jugendgruppe massiv bei ihrer Arbeit und organisierten Veranstaltungen. Sie sorgten auch dafür, dass wir Flüchtlinge in der Gruppe nicht mehr ignoriert und beleidigt wurden, sondern einfach dazugehörten. Traditionell wurden Theaterstücke eingeübt, die unter der Leitung des Dorfschullehrers aufgeführt wurden. Anschließend spielte im Saal die Musik zum Tanz auf. In den Wintermonaten gingen die Mädels und jungen Frauen abwechselnd zur Spinnichte (Spinnstube), zu Spinn- und Nadelarbeiten. Dabei wurden Heimatlieder gesungen und Neuigkeiten ausgetauscht. Das war wohl nicht so recht erwünscht, die kommunistische Jugend-Organisation (FDJ) schickte ihre Funktionäre auf die Dörfer, die bestehenden Jugendgruppen sollten in die neue Organisation eintreten. Die Bürgermeister bekamen Weisungen, in ihren