: Anees Salim
: Fünfeinhalb Männer Roman
: Unionsverlag
: 9783293311473
: 1
: CHF 15.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 234
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Imram Jabbari ist für die nächsten sechzehn Jahre im Gefängnis, daran ist nicht zu rütteln. In der Buchbinderei zur Arbeit verdonnert, füllt er die leeren Seiten in Gedanken mit seiner Lebensgeschichte. Er denkt zurück an seine Heimatstadt, an die rivalisierenden Hindu- und Muslimviertel. Hier wollen Imran und seine Freunde berühmt und gefürchtet werden, so wie die großen Gangsterbosse. Mit ihrer Bande »Fünfeinhalb Männer« versuchen sie, sich im hart umkämpften Viertel einen Namen zu machen. Doch viel Erfahrung im Milieu haben sie nicht gerade, und schon bald müssen sie lernen, dass ihr Eifer gefährliche Folgen hat. Humorvoll erzählt Salim von schwelenden Konflikten, von jugendlichem Leichtsinn und der Vergänglichkeit des Lebens.

Anees Salim, 1970 in Varkala geboren, brach mit sechzehn die Schule ab. Er ist Schriftsteller und Kreativdirektor einer Werbeagentur und unternimmt zahlreiche Reisen. Für seine Werke wurde er mit dem Crossword Book Award, dem Hindu Literary Prize sowie dem Sahitya Akademi Award ausgezeichnet. Letzteren erhielt er als erster Malayali-Schriftsteller in der Belletristik-Sparte. Seine Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Er wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Kochi, Kerala.

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Ich plädiere auf nicht schuldig, Herr Richter. Darauf können Sie Gift nehmen!

IMRAN JABBARI (1985–)

Es ist schon sehr lange her – genauer gesagt, achtzehn Monate –, da ist mit dem Schlag eines Richterhammers auf ein furchtbar schwarzes Pult meine Welt auf die Größe einer Mausefalle zusammengeschrumpft. An dem Tag schien die Sonne und zwar so, dass die hellhäutigen Damen sich entschlossen, ihre Sonnenschirme aufzumachen, aber die Leute, die sich vor den Fenstern drängelten, verhinderten so vollständig, dass Licht in den Gerichtssaal fiel, dass es draußen auch ebenso gut hätte regnen können.

Irgendwo in der Nähe gab es – nicht sichtbar – eine Uhr. Diese gab jede halbe Stunde einen Laut von sich – wie ein Löffel, der auf einen Metallteller schlägt – und gemahnte mich an die langen, leeren Jahre, die der Richter – er sah einem berühmten Bühnenkomiker ziemlich ähnlich – mir aufbrummen würde.

Kurz nach Mittag zog sich das Gericht wieder zurück, die Leute machten die Fenster wieder frei, und dann begann für mich die Fahrt ins Gefängnis. Das Ganze dauerte kaum eine Stunde, aber während dieser Zeit stellte ich mir vor, so wie ich es auch damals vor meinem ersten Schulbesuch gemacht hatte, wie mein Bestimmungsort so wäre.

Es war an einem Freitag, und wie an jedem Freitagnachmittag gab es lange Schlangen vor den Kinos und viele Leute, die aus den Moscheen strömten – just die beiden Orte, die ich von nun an so schmerzlich vermissen würde.

Die Uhr oberhalb der blauen Toreinfahrt zeigte zehn nach zwei, als der Transporter sein Ziel erreicht hatte. Von außen betrachtet sah das Gefängnis wie eine Schule aus (auf den ersten Blick war mir damals die Schule wie ein Gefängnis vorgekommen). Die Mauer war leicht mit Moos überzogen, so dass es aussah, als sei sie aus Bronze, über welche der Regen eine erste Patina-Schicht gelegt hätte. Willig-düster ging das Tor auf, und missmutig rollte der Transporter hinein.

Seit diesem Moment, in dem ich durch die hohe Einfahrt fuhr, habe ich mich immer wieder gefragt, ob die Außenmauer während der achtzehn Monate inzwischen dunkelgrün geworden war oder ob die Gefängnisleitung nicht doch die Häftlinge dazu gebracht hatte, sie so lange abzuschrubben, bis sie wie helles Kupfer aussah. Aber während dieser achtzehn Monate hatte ich keine Gelegenheit, die Außenmauer zu inspizieren; für mich hätte sie genauso gut außerirdisch sein können.

Genau wie damals in der Schule gab es auch hier einen Raum mit Regalen voller Verzeichnisse und Urkundenbände, dessen Wände mit Photographien von Verabschiedungsfeiern bedeckt waren, auf welchen nur lauter Reihen von Männern mit ausdruckslosen Gesichtern zu sehen waren. Diejenigen, die in Pension gingen, hatte man hervorgehoben, indem man sie mit überdimensionalen Girlanden geschmückt hatte, deren kunstvolle Enden bis in ihre Schöße hingen und so aussahen, als wüchse aus ihrer Leist