1. KAPITEL
Diego stand lässig an den Zaun gelehnt da, blinzelte gegen die Abendsonne und beobachtete, wie das Pferd und seine Reiterin mit beeindruckender Leichtigkeit zum Dreifachsprung ansetzten. Als Nächstes kam die ein Meter achtzig hohe Mauer. Das Pferd wurde schneller, und die Reiterin lehnte sich über den Hals nach vorn, bereit zum Sprung.
Es war faszinierend, wie gut die beiden miteinander harmonierten. Unbewusst hielt Diego den Atem an und wartete darauf, dass die Hufe des Pferdes vom Boden abhoben. Aber in diesem Moment schoss ein Motorrad aus dem Wald. Das hohe Kreischen des Motors durchschnitt die Stille, dann kam die Maschine mit quietschenden Reifen auf dem Weg neben der Koppel zum Stehen. Diego wusste in dieser Sekunde, dass das Pferd, erschreckt durch den unerwarteten Lärm, den Sprung verweigern würde. Aber es gab nichts, was er tun konnte, und so musste er hilflos mitansehen, wie die Reiterin aus dem Sattel geschleudert wurde, über den Kopf des Pferdes flog und mit einem entsetzlich dumpfen Geräusch auf die sonnenverbrannte Erde aufschlug …
Rachel stöhnte leise auf. In ihrem Kopf drehte sich alles, und sie spürte heftige Schmerzen in ihren Armen, ihren Schultern, ihren Hüften … Ich werde mir ein paar schlimme Prellungen zugezogen haben, dachte sie reumütig. Es schien einfacher, die Augen nicht zu öffnen, und sich stattdessen in die willkommene Dunkelheit sinken zu lassen, die einen den Schmerz vergessen ließ. Doch sie konnte eine Stimme hören. Mühsam hob sie die Lider und starrte den Mann, der sich über sie beugte, verwirrt an.
„Bewegen Sie sich nicht. Liegen Sie ganz still, während ich nachsehe, ob Sie sich etwas gebrochen haben.Dios – Sie haben Glück, dass Sie noch am Leben sind“, sagte die Stimme rau. „Sie sind wie eine Stoffpuppe durch die Luft geflogen.“
Rachel nahm vage wahr, dass Hände über ihren Körper strichen, zuerst ihre Beine hinauf zu ihren Hüften und dann über ihre Rippen. Und obwohl der Mann sie nur ganz leicht berührte, zuckte sie zusammen, als er die empfindliche Stelle am unteren Ende des Rippenbogens fand. Immer noch benommen von ihrem Sturz schloss sie die Augen wieder.
„Hey, nicht ohnmächtig werden. Ich rufe einen Krankenwagen.“
„Ich brauche keinen Krankenwagen“, murmelte Rachel entschlossen und zwang sich, die Augen wieder zu öffnen. Die Dunkelheit verschwand, und über sich konnte sie den blauen Himmel mit kleinen weißen Wattebauschwölkchen sehen. Aber dann beugte sich der Fremde wieder über sie, und sein Gesicht war so dicht vor ihrem, dass sie seinen warmen Atem auf ihrer Wange fühlte. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie eine Gehirnerschütterung hatte – oder halluzinierte.
Sie erkannte ihn sofort. Diego Ortega – internationaler Polo-Champion, Multimillionär und Playboy, der laut Presseberichten genauso erfolgreich bei Frauen war wie bei Polo-Turnieren. Rachel interessierte sich nicht für die Klatschkolumnen, aber seit sie zwölf Jahre alt war, hatte sie jedes Reitermagazin verschlungen, das sie in die Finger bekam, und es bestand kein Zweifel, dass der Argentinier eine Legende in seinem Sport war.
Sie nahm an, dass sie sein überraschendes Auftauchen eigentlich nicht verwundern sollte, denn während der letzten Wochen war sein bevorstehender Besuch in Hardwick Hall das Hauptgesprächsthema gewesen. Doch ihn jetzt in Fleisch und Blut vor sich zu sehen, war trotzdem ein Schock, und die Tatsache, dass er sie und Piran beim Springen beobachtet hatte, beunruhigte sie.
Er war gerade dabei, sein Handy aus der Tasche seiner Jeans zu ziehen. Rachel setzte sich mühsam auf und biss sich auf die Lippe, um nicht aufzus