2.
Verfolgung
Suyemi Taeb kämpfte mit aller Kraft gegen die Angst an. Eine mentale Welle schwappte über sie hinweg und vermittelte das Gefühl des Ertrinkens. Des Untergangs in einem See voll schwerer, schwermütiger Gedanken, die ihr jegliche Hoffnung auf eine Rückkehr in die Realität nahmen.
Du wirst dich nicht unterkriegen lassen.
Eine Stimme, vage bekannt. Nicht hörbar. Irgendwo in ihrem Hinterkopf zu Hause. Ein Kobold, der mal da war und Taeb nervte, mal tage- oder gar wochenlang verschwunden blieb.
Der Extrasinn. Teil ihres arkonidischen Erbes.
Selten zuvor war sie derart froh gewesen, ihn mit an Bord zu haben, denn er redete mit ihr. Er unterstützte sie beim Kampf gegen die Angstwelle. Er war der Fels der Logik in der Brandung und sorgte dafür, dass sie wieder auftauchen konnte. Dass sie in die Realität zurückkehrte.
*
Taeb kam mühsam auf die Beine. Noch drehte sich alles rings um sie, noch war sie schwach. Aber sie musste Bruno Boukarina hinterher. Er war vor ihren Augen verschwunden. Vermutlich hatte er etwas gestohlen. Aus den Kellerarchiven des Solaren Hauses. Und ebenso vermutlich hatte er etwas mit diesen Angstattacken zu tun. Er hatte sie forciert und damit die Voraussetzungen für den Diebstahl geschaffen. Wie das geschehen war, scherte sie vorerst nicht. Sie würde Boukarina folgen, ihn dingfest machen und zu den Geschehnissen befragen.
Du machst zuerst ein paar Dagorübungen, um deine Mitte wiederzufinden, empfahl der Extrasinn.Was du jetzt an Zeit investierst, wird dir später zugutekommen.
Taeb gehorchte. Atemübungen, eine rasche Selbstreflektion, einige Dehnungsschritte. Ein paar Prinzipien des Dagor-Zhy verinnerlichen, die ihre Mutter ihr beigebracht hatte.
Der psychische Druck war nach wie vor da und setzte ihr zu. Aber Taeb schaffte es, sich dagegen zu wehren.
Sie setzte sich langsam in Bewegung, sobald sie sich bereit dazu fühlte. Auf die beiden TARAS zu, die sie in einer Entfernung von etwa 50 Meter erwarteten. Sie hatten Bruno Boukarina entkommen lassen. Weil sie, Taeb, den Kampfrobotern keinen Befehl erteilt hatte.
Oder?
»Statusbericht!«, befahl sie den Kampfrobotern. »Die letzten fünf Minuten. Was ist geschehen, wen habt ihr gesehen, welche Anweisungen hattet ihr?«
Einer der beiden TARAS ergriff das Wort. »Der Befehl lautete, hier auf Agentin Suyemi Taeb zu warten und auf ungewöhnliche Vorgänge zu achten.«
»Und?«
»Seitdem warten wir. Es ist nichts geschehen, was wir als ungewöhnlich erachtet hätten.«
»Es kam niemand aus dem Kellerarchiv hoch?«
»Negativ«, antwortete der Roboter. »Es ist alles in Ordnung. Niemand war hier.«
»Ihr habt nichts von den Vorgängen im Gastgarten des Solaren Hauses mitbekommen?«
»Negativ. Es ist alles in Ordnung.«
»Wer bin ich?«
»Ich ... weiß es nicht.« Der Roboter ließ seine Arme sinken. Sein kegelstumpfförmiger Körper sank langsam zu Boden. »Es ist nicht alles in Ordnung«, sagte er.
»Ihr leidet unter Fremdbeeinflussung«, sagte Taeb. »Ihr stellt euch augenblicklich außer Dienst und lasst euch von der Hauptpositronik des Solaren Hauses untersuchen. Nein, Kommando zurück! Ihr unterstellt euch Aurelia Bina. Erklärt euer Problem. Sie wird sich um euch kümmern.«
Bina. Sie hatte die Chefin des TLD völlig vergessen.
Taeb betrachtete ihr Armband. Sie hatte während ihrer ... Bewusstlosigkeit mehrere Nachrichten erhalten.
Sie aktivierte den TLD-Funk. »Aurelia?«
Taeb musste ungewöhnlich lange warten, mindestens eine Sekunde, bis sich die Posmi bei ihr meldete.
»Boukarina ist entkommen, nicht wahr?«
Typisch. Das war ihre erste Frage. Nich