Unser Mathematiker Herr Paszke wäre auf jeder Schule ein Original sondergleichen. Seine speziellen Merkmale: Kurzsichtigkeit und ein von ihm untrennbares, kleines Notizheftchen mit Bleistift, der nicht länger als ein Zentimeter sein durfte, mit dem alles Wesentliche notiert wurde. Genau so - in Notizblock Schriftgröße - schrieb er die Tafel voll. Da seine Sehkraft nur bis zur ersten Sitzreihe reichte, herrschte ab der zweiten unbeaufsichtigte Freiheit; jedoch nur unter der Bedingung vollständiger Geräuschlosigkeit. Sie gab dem Lehrer das Gefühl, die Klasse unter Kontrolle zu haben. Da wir auf lautlose Weise Mathematik gegen Spiel und Spaß im Sonnenschein auf dem Sportplatz eintauschten, kam es zwangsläufig zum nächsten Wutausbruch unseres Herrn Direktor. Auf Zehenspitzen schlichen wir der Reihe nach durchs offene Fenster direkt auf den Sportplatz. Die Pechvögel in der ersten Sitzreihe mussten natürlich im Klassenzimmer bleiben, während Herr Paszke, mit seiner Kreide mathematische Ausführungen an die Tafel kritzelte. Doch der Spaß währte nicht lange. Herr Direktor muss sich wohl gefragt haben, was die Klasse, die gerade Mathematikunterricht hat, wohl auf dem Sportplatz mache.
Polnischunterricht mit Professor Mioduszewska: Ausdauernd bemühte sie sich mit ihrer tadellosen Akzentuierung unsere zusammengewürfelten Mundarten zu korrigieren und aus unserem Alltagsleben zu radieren. Mühsam fand ich die Pflichtlektüren. Weder hatte ich Lust noch Zeit sozialrealistische „Werke” zu analysieren. In der Bibliothek der Gesellschaft Polnisch-Sowjetischer Freundschaft (Foksal-Str.) las ich hingegen „feindliche Weltliteratur". In anderen Bibliotheken waren diese Bücher konfisziert worden, weil sie dem kommunistischen Regime „ein Dorn im Auge” waren. Alleine der Bibliotheksname schützte die Bücher vor Lesern. Hier begegnete ich echten Perlen der Weltliteratur, wie z.B. die versteckten Werke Gorkis, welche auf der Pflichtlektüreliste natürlich nicht auftauchten. Gierig „verschlang” ich diese verbotenen Wunder der Literatur, jeden freien Augenblick verbrachte ich in den leeren Lesesälen. Trotzdem musste ich eine Klassenarbeit über einen zeitgenössischen Schriftsteller brüderlicher, sozialistischer Länder, verfassen. Da ich keine Empfehlung gelesen hatte, musste ich mir die Geschichte meines sozialistischen Arbeiterhelden aus den Fingern saugen. Sogar den Autor habe ich frei erfunden. Nur noch einen Titel erfinden und schon war meine Arbeit fertig. Mit dem Stoß von Schulheften schritt Frau Mioduszewska durch die Klasse und subsummierte unsere Arbeiten. Mein Herz klopfte heftig. Schließlich blieb sie bei mir stehen: „Diesen Autor kenne ich nicht, so dass ich den Inhalt Deiner Arbeit nicht objektiv bewerten kann. Unter stilistischer Hinsicht ist sie aber gut geschrieben.” Hastig blickte ich zwischen die Seiten und sah erfreut die Note „Gut”. Auf meinem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln, wie das eines Arbeiterhelden nach einem anstrengenden Tag ordentlicher Pflügearbeiten mit seinem Traktor.
Der Weltgewandteste an unserer Schule war der Französischlehrer Herr Kopczyński. Auf jede Frage wusste er eine Antwort, es wurde also unsere Aufgabe eine Problemstellung zu finden, mit der er die gesamte Schulstunde verbrachte. Wir taten alles, damit er mit dem Lehrplan nicht fertig wurde. Wie immer kam er elegant gekleidet, geschniegelt und gestriegelt ins Klassenzimmer und legte seine Ledertasche vorsichtig aufs Pult. Er holte sein Französischbuch und einen Druckbleistift hervor, blickte in die Klasse und begann: „Heute beschäftigen wir uns mit … .” Auf diesen Moment hatte ich angespannt gewartet. Ich meldete mich, um den Professor abzulenken: „Was ist Dąbrowski?” „Wissen Sie, Herr Professor, in der Zeitung habe ich einen Satz gelesen, den ich überhaupt nicht verstehe: Die Börse in New York ist das feinfühligste Barometer internationaler Bezieh