Ylva Grey steigt am Flughafen Arlanda in den Expressbus und nimmt am Hauptbahnhof ein Taxi. Als der schwarze Wagen auf die hohen Tannen zufährt und sie kurz darauf auf dem Hügel am See die prächtige Jugendstilvilla erblickt, ist sie seit zwei Wochen nicht zu Hause gewesen. Sie hatte Urlaub genommen, um dem Medienrummel zu entfliehen. In der Annahme, nicht als Generaldirektorin von Sida zurückzukehren. Sie hatte sogar vorsorglich ein Blankokündigungsschreiben eingereicht, sich nun aber doch entschlossen zu bleiben. Die Staatssekretärin im Ministerium für technische Zusammenarbeit ist bereits informiert. Sie hat nicht vor aufzugeben.
Die böswillige Lüge, sie hätte Einwanderer ohne Arbeitsgenehmigung bei sich zu Hause unentgeltlich arbeiten lassen, wie anfänglich von Rechtsextremisten in den sozialen Medien verbreitet, war nach einer Weile auch in den Mainstreammedien angekommen. Eine oft genug wiederholte Lüge wird zwar nicht automatisch wahr, aber man sät Zweifel, und irgendwann fangen auch seriöse Journalisten an, Fragen zu stellen und den Zweifeln Nahrung zu geben.
Als Eric Hands’ Jacht untergegangen war, hatte sie ihre bereits beschlossene Abreise um ein paar Tage verschoben. Ein paar schreckliche Tage lang war sie überzeugt, dass Elias tot war.
Sie konnte sich nicht erklären, was ihn dazu getrieben hatte, unter Lebensgefahr auf die Capricorn zurückzukehren, obwohl sein Auftrag eigentlich abgeschlossen war. Hatte er gehofft, noch mehr bewirken zu können? Ging es ihm um Gerechtigkeit und Vergeltung? Oder um die Frau an Bord, Eric Hands’ Tochter Ulrika? Hatte sie ihn gelockt?
Das Taxi fährt durch das Tor. Es ist ein sonniger Tag, die Luft ist kalt und klar, der Himmel hoch. Noch hat sich die Dunkelheit nicht über den Norden gesenkt, aber sie liegt bereits auf der Lauer.
Sie bittet den Taxifahrer, neben dem Wohnmobil zu halten, in dem sich der Wachschutz aufhält, klopft an und teilt dem Personenschützer ihre Rückkehr mit. Es sind drei oder vier verschiedene Männer, die in Schichten arbeiten. Ylva hat noch keinen von ihnen persönlich getroffen, aber sie hat die Namen und Passfotos zugeschickt bekommen. Der Mann zeigt ihr seinen Ausweis und stellt sich vor. Peder Christiansen. Das klingt dänisch. Auf solche Dinge achtet sie mittlerweile penibel. Vor einem Jahr wäre der gezückte Ausweis nur eine Formalität gewesen. Sie hätte nicht einmal den Namen gelesen. Nun liest sie ihn nicht nur, sie prägt ihn sich ein.
Er weist sie auf die beiden Notrufschalter hin, die im Haus eingebaut wurden. Einer im Schlafzimmer und einer in der Küche. Dafür muss sie eine App auf ihrem Smartphone installieren. Und sie werden Übungen durchführen. Er kann innerhalb von dreißig Sekunden bei ihr sein.
Das Taxi fährt vor bis zum Eingang. Ylva bezahlt, trägt ihren Koffer die wenigen Stufen hinauf und steckt den Schlüssel ins Schloss. Sie durchquert den großen, vollgestellten Hausflur. Jedes Mal wenn sie nach längerer Abwesenheit nach Hause kommt, fällt ihr auf, dass sie dringend ausmisten müsste, aber sobald sie im Haus ist, vergisst sie es wieder.
Sie schließt die nächste Tür auf, stellt den Koffer ab und gibt den Code in die Tastatur der Alarmanlage ein. Sie hängt ihren Mantel auf, aber die Schuhe