: Beate Maxian
: Der Tote vom Zentralfriedhof Ein Wien-Krimi
: Goldmann
: 9783641131722
: Die Sarah-Pauli-Reihe
: 1
: CHF 7.30
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 416
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Nun, da ihre Kolumne über Aberglauben ein voller Erfolg ist, will die junge Journalistin Sarah Pauli eine neue Serie über das mystische Wien starten. Spannende Informationen dazu erhofft sie sich von der Fremdenführerin Erika, die Führungen zu den geheimnisvollen Orten der Stadt veranstaltet. Doch kurz vor ihrem Treffen verschwindet Erika spurlos. Sarah macht sich auf die Suche nach ihr und stößt auf einen aufsehenerregenden Fall: Vor Kurzem wurde der Sarg eines verstorbenen Millionärs vom Wiener Zentralfriedhof gestohlen - ein Ort, an dem noch so manches dunkle Geheimnis begraben liegt ...

Beate Maxian lebt mit ihrer Familie in der Nähe des Attersees und in Wien und zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen Österreichs. Ihre Wien-Krimis um die Journalistin Sarah Pauli stehen dort regelmäßig an der Spitze der Bestsellerliste. Auch »Ein tödlicher Jahrgang«, Auftakt ihrer Krimireihe um die Feinkosthändlerin Lou Conrad, wurde auf Anhieb ein Bestseller.

2 SARAH PAULI

Let the sunshine… in«, trällerte es laut aus irgendeinem Redaktionsbüro desWiener Boten an Sarahs Ohr.

Die junge Journalistin schlenderte den Flur entlang Richtung Konferenzraum und summte die Melodie mit.»Let the sunshine…«

Der Winter war dieses Jahr hart und endlos gewesen. Bis Mitte April hatte in ganzÖsterreich Schnee gelegen. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte Sarah sich vorstellen, was es hieß, unter einer Winterdepression zu leiden. Zusätzlich hatte diese lang anhaltende Dunkelheit verhindert, dass Sarah ihr inneres Gleichgewicht wiederfand. Wenn man wie sie einen Selbstmord mit ansehen musste, so brauchte man viel Sonnenlicht und vor allem auch möglichst fröhliche Menschen um sich herum, sonst blieb das schreckliche Erlebnis für immer im Kopf. Dochüber Wien hing eine Glocke derÜbellaunigkeit wie eine lästige Zecke im Fell eines Hundes. Davids Geschenk zu ihrem 30. Geburtstag, ein Kurzurlaub in Neapel, hatte nur kurzfristig Linderung gebracht. Sie warenüber Silvester in der Geburtsstadt ihrer Großmutter gewesen, und Sarah hatte sich augenblicklich in die Region und die Menschen dort verliebt.

Leider hatte die Reise nach Neapel den immer wiederkehrenden Albtraum nicht endgültig vertrieben. Der hatte es sich während ihrer Abwesenheit gemütlich gemacht und zu Hause auf sie gewartet.

Eine sternenklare Nacht auf dem Cobenzl in Wien, der Parkplatz menschenleer. Nur eine dunkle Gestalt steht vor der kniehohen Mauer und sieht auf das funkelnde Lichtermeer der Stadt hinunter. Sarah geht auf die Gestalt zu. Noch zehn Schritte, neun, acht, sieben… sie kommt nicht vom Fleck. Die Dienstbotenmadonna aus dem Stephansdom legt ihr die Hand auf die Schulter und hält sie zurück. Da dreht die Gestalt sich um…

Und in diesem Moment erwachte Sarah jedes Mal aufs Neue– schweißgebadet und mit panisch rasendem Herzen. Die Szene, in der Doris Heinlein sich vor ihren Augen in den Mund geschossen hatte, blieb ihr im Traum erspart, doch immer erwachte sie mit einem Gefühl, als würde ihr jemand eine Pistole hart gegen die Stirn drücken.

Im März brachten Schlagzeilenüber brodelnde phlegräische Felder unter Neapel Sarah zeitweise auf andere Gedanken. Sie hatte sich ernsthaft Sorgen um die Stadt ihrer Großmutter gemacht. Immerhin hatten diese unterirdischen Supervulkane einen Explosivitätsindex der höchsten Stufe. Sie las täglich Meldungenüber den aktuellen Stand der Bedrohung.

Und dann inspirierte sie ausgerechnet diese Gefahr zu einer ihrer Kolumnen. Sie schriebüber die Mythen und Legenden, die sich um Vulkane rankten, und hörte währenddessen die Musik des neapolitanischen Liedermachers Pino Daniele,»Napuleè«. Ausführlich widmete sie sich Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers, der laut römischerÜberlieferung im Tyrrhenischen Meer, zwischen Sizilien und Neapel, lebte.

Sie ließ sich zu einer neuen Serie ihrer Kolumnen anregen, die den Titel»Mystisches Wien« bekommen sollte. Das ließ ihr viel Spielraum. Die erste Kolumne dazu beschäftigte sich mit der einzigen Hexenverbrennung in Wien im Jahr 1583. Eine bescheidene Zahl angesichts der zigtausend Frauen, die Opfer der grausamen Hexenjagd wurden. Den Tod auf dem Scheiterhaufen hatte Elisabeth Plainacher ihrem Schwiegersohn und der Hetzpredigt des Jesuiten Gregor Scherer zu verdanken. Den Prediger traf später in der Kirche auf der Kanzel bei einerähnlichen Ansprache der Schlag. Manchmal sorgte der Himmel also doch für ausgleichende Gerechtigkeit. Heute erinnerte die Elsa-Plainacher-Gasse im 22. Bezirk an die Unglückliche, dort wo die Kegelgasse in die Weißgerberlände mündete. Ein würdiger Auftakt für ihre neue Serie, fand Sarah.

Hexenverbrennungen gab es nicht mehr, doch Neid, Hass und Denunziantentum waren geblieben.

Wie zur Bestätigung fing Conny, die Society-Löwin desWiener Boten, Sarah vor der Tür zum Konferenzzimmer ab.»Gratuliere«, raunte sie.»Die Sache mit der Hexe hat was Lebendiges.«

Sarah staunte. Ein Lob aus Connys Mund glich einer Krönung. Die Gesellschaftsreporterin ging so sparsam damit um, dass man meinen konnte, sie hielt es mit dem alten Volksglauben, dass Lob Unheil anrichte.

Das ging Sarah durch den Kopf, während Conny längst dabei war, ihr Lob wieder abzuschwächen:»Das heißt aber nicht, dass ich den Humbug gut finde, den du da jedes Wochenende in der Beilage verzapfst«, sagte sie und schüttelte ihre prachtvolle rote Lockenmähne.»Ich mein’, wir leben immerhin im 21. Jahrhundert. Wer ist da noch ernsthaft abergläubisch?«

Conny fand die Artikel anderer generell unzureichend recherchiert, inakzeptabel formuliert oder thematisch langweilig. Dass sie nun ausgerechnet die Geschichteüber eine tote Hexe aus dem 16. Jahrhundert lebendig fand, amüsierte Sarah. Diese Aussage konnte sie sich durchaus ans Revers ihrer Jacke heften, ohne Schaden zu nehmen.

»Sag, hörst du mirüberhaupt zu?« Connys Stimme drängte sich in ihre Gedanken.

»Natürlich.«

Während Sarah angestrengt nachdachte, was sie ihrer Kollegin antworten sollte, drückte diese ihr eine Visitenkarte in die Hand.

»Erika Holzmann bietet Stadtspaziergänge zu deinem Thema an. Vielleicht interessiert dich das.«

Sissi, Connys schwarzer Mops, kam um die Ecke und blieb neben ihnen stehen, nur das Hinterteil bewegte sich voller Freude hin und her. Dazu keuchte der Hund, als erleide er soeben e