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Sag, wie heißt du, süße Kleine
Wie auf Schienen glitt die Super-Constellation mit dröhnenden Motoren über den Nachthimmel. Die Passagiere waren verköstigt und hatten es sich mit einem Schlummertrunk und Lesestoff gemütlich gemacht oder versuchten, in der abgedunkelten Kabine die Zeit bis zum Frühstück zu verschlafen. In der Pantry dagegen brannten noch alle Lichter.
»So habe ich mir das während der Ausbildung nicht vorgestellt«, jammerte Bärbel.
Zermatschte Kartoffeln hafteten an ihren von Fett und Bratensoße verschmierten Fingern, während sie einen aufgeweichten Klumpen aus Papierservietten gründlich auseinandernahm und dann mit angewiderter Miene in den bereitstehenden Eimer warf.
Margot lachte. »Nimm’s als Lehrstunde! Noch mal passiert dir das garantiert nicht.«
Anstatt nach der Hälfte ihrer gut zwanzigstündigen Schicht zwischen New York und Hamburg selbst endlich etwas zu essen oder ein Nickerchen zu machen, knieten die beiden Stewardessen auf dem Boden der Pantry und wühlten mit hochgekrempelten Blusenärmeln im Abfall.
»Das ist so eklig!« Schaudernd ließ Bärbel eine Papiertüte mit Erbrochenem in den Eimer fallen; über Neufundland waren die Flüge immer holprig.
»Deshalb sollst du die Tüten am oberen Ende fest zusammenfalten«, erklärte Margot.
»Da geht er hin«, spöttelte Hartmut Schwertfeger, »der strahlende Glanz der Stewardessen.«
»Vorsicht, Hacki!«, erwiderte Margot. »Sonst schnappe ich mir in einem unbeobachteten Moment den Salzstreuer und leere ihn in deine Suppe.«
Der Koch lachte und zündete sich eine Zigarette an.
Ein paar ausgetrunkene Gläser in der Hand, trat Felix Jungblut durch den Vorhang. »Was macht ihr denn da?«, fragte er verwundert.
»Mrs Miller auf Platz 10A hat ihre Zahnprothese auf dem Tablett liegen lassen«, antwortete Margot. »Sie hat es erst bemerkt, als Bärbel schon längst abgeräumt hatte.«
»Hast du beim Abtragen nicht genau hingeschaut?«, hakte Felix nach.
»Was glaubst du wohl?«, fuhr Bärbel ihn an, eine verlegene Röte auf dem mädchenhaft zarten Gesicht.
Felix grinste und nahm den gefüllten Teller entgegen, den Hacki ihm reichte. »Denn mal Prost Mahlzeit.«
Er hatte kaum den ersten Bissen im Mund, als das Greinen eines Säuglings aus der Kabine drang. Seufzend legte Felix das Besteck weg und begann, mit Milchpulver und Schnullerflasche zu hantieren.
»Lass das lieber Ruth machen«, sagte Margot, während sie und Bärbel weiter den Müll durchforsteten. »Mrs Todd ist eine dieser furchtbar nervösen Mütter. Die traut dir das sicher nicht zu, dass du dich genauso gut um ihren Goldschatz kümmern kannst wie wir Mädels.«
»Wo bleibt da die Gleichberechtigung?«, protestierte Felix, während er das Fläschchen in heißem Wasser aufwärmte. Das semmelblonde Haar akkurat gescheitelt, sah er in seiner Uniform auch mit Mitte zwanzig noch aus wie ein Schuljunge. »Wo steckt Ruth überhaupt?«, fragte er.
Margot antwortete nicht. Zwischen Essen