Kapitel 1
Gab es etwas Schöneres, als mit der Person zusammen zu sein, die man von ganzem Herzen liebte? Morgens neben Nicolas de Montenait aufzuwachen fühlte sich für mich wie das größte Geschenk der Welt an. Dafür nahm ich sogar in Kauf, dass er in einem kleinen Château aus dem 18. Jahrhundert lebte, und wer sich das furchtbar romantisch vorstellte … sollte sich daran gewöhnen, an einem kühlen Morgen im Oktober von einem merkwürdigen Geräusch geweckt zu werden.
»Das gibt’s doch nicht!«
Widerwillig kniff ich die Augen zusammen. In meinem Traum hatte die Sonne geschienen, und ich war in einem blühenden Rosengarten spazieren gegangen. Als Nächstes hörte ich ein scharrendes Geräusch und einen undeutlich gemurmelten Fluch.
»Stures Holz.«
Das schien das uralte Doppelbett, in dem ich mich zusammengerollt hatte, persönlich zu nehmen. Es gab ein ausgedehntes Knarzen von sich, als ich mich auf die andere Seite drehte. Ich öffnete die Augen und betrachtete kurz die leeren zerknitterten Laken, dann setzte ich mich langsam auf.
Nicolas kniete am anderen Ende des Zimmers, bereits angezogen mit Hemd und Nadelstreifenhose. Sein Ärger hatte sich nicht auf das Bettgestell, sondern auf den alten Kamin vor ihm bezogen, in dem er versuchte, ein Feuer zu entzünden. Das hellbraune zerzauste Haar fiel ihm dabei immer wieder ins Gesicht. Es hätte schon lange mal wieder einen Friseur vertragen.
Unermüdlich fuhr Nicolas mit einem Streichholz die dunkle Seite der Schachtel entlang, doch das dünne Holzstäbchen ließ das im wahrsten Sinne des Wortes völlig kalt.
Ich hob die Arme über den Kopf und streckte mich kurz, um die Steifheit aus meinen Gliedern zu vertreiben. Dann betrachtete ich ein paar weitere von Nicolas’ erfolglosen Versuchen, den Raum zu erwärmen.
»Na, du Brandstifter.«
Just in diesem Moment fing das kleine Streichholz Feuer und erlosch augenblicklich wieder, als sich Nicolas erschrocken zu mir umdrehte.
»Habe ich dich geweckt?«
»Ach, nein, überhaupt …« Das »nicht« wurde von einem ausgiebigen Gähnen verschluckt.
»Oje.« Nicolas machte ein betrübtes Gesicht. »Ich wollte nur, dass du es ein bisschen wärmer hast, bevor ich zur Arbeit gehe.«
»Mach dir um mich keine Gedanken.« Ich schwang die Beine aus dem Bett. »Mir ist überhaupt nicht …«
Nicolas zog skeptisch die Augenbrauen hoch, und ich warf einen kurzen Blick auf das Paar Wollsocken, die Thermostrumpfhose und die lange Jogginghose, die ich trug.
»Ja, okay, vielleicht ein bisschen …«
»Gestern hat es noch funktioniert!« Nicolas wandte sich wieder mit neuem Ehrgeiz seinen Streichhölzern zu. Ich tappte über den steinernen Boden zu ihm hinüber und nahm ihm vorsichtig, aber bestimmt die Schachtel aus der Hand.
»Gestern waren sie auch noch nicht feucht. Schon in Ordnung, zieh dich lieber um, bevor du wieder zu spät kommst.«
Nicolas lächelte, dann zog er mich eng an sich und gab mir einen langen Kuss, bei dem ich ganz kribbelig wurde.
»Wir wärmen dich heute Abend wieder auf«, murmelte er mir zu, als er mich wieder losließ. Nicolas verließ das Schlafzimmer, vermutlich in Richtung Küche, um zu frühstücken.
Ich blieb mit dem dysfunktionalen Kamin zurück und seufzte leise. Natürlich hatte ich es mir nicht einfach vorgestellt, mit Nicolas zusammen das alte Chateau zu renovieren und bei ihm einzuziehen, aber an meine Grenzen kam ich dabei trotzdem oft genug. In dem kleinen Schlösschen zu wohnen fühlte sich an, als würde man täglich eine Zeitreise durch verschiedene Jahrhunderte machen.
Da kniete man vor einem uralten Marmorkamin, den vor vielen, vielen Jahren irgendein Dienstmädchen angeschürt hatte, während man von draußen das Brummen einer modernen Kaffeemaschine hörte. Man stolperte täglich über Kuriositäten, die man nicht verstand, Antiquitäten, die man nicht berühren durfte, und Animositäten von Handwerkern, die wissen wollten, wann denn endlich ihre letzte Rechnung bezahlt wurde. Letzteres war eine sehr gute Frage, auf die weder Nicolas noch ich die meiste Zeit eine Antwort wussten.
Müde legte ich die Streichholzschachtel auf den Kaminsims und ging dann zu dem wuchtigen Schrank au