: Christine Kabus
: Das Geheimnis der Mittsommernacht Norwegenroman
: beHEARTBEAT
: 9783751716277
: 1
: CHF 5.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 655
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Z ei Familien im Schatten eines dunklen Geheimnisses...

< >Norwegen, 1895. Im Bergbaustädtchen Røros begegnen sich zwei junge Frauen, deren Schicksal kaum unterschiedlicher sein könnte. Die Deutsche Clara ist ihrem Ehemann in dessen Heimatstadt gefolgt. Doch die Ordals begegnen Clara und ihrem kleinen Sohn Paul mit unverhohlener Ablehnung. Als wenig später ein furchtbares Unglück geschieht, ist Clara plötzlich auf sich allein gestellt. Unerwartete Hilfe erfährt sie ausgerechnet durch Sofie, die Tochter des mächtigen Bergwerksbesitzers, dem die Ordals schon lange ein Dorn im Auge sind. Während Clara und Sofie zu Freundinnen werden, kommen sie einem Geheimnis auf die Spur, das ihre Familien seit Jahrzehnten überschattet ...

Große Gefühle vor atmosphärischer Kulisse - ein opulent erzählter Roman voller bewegender Einblicke in eine der spannendsten Epochen der norwegischen Geschichte.

Weitere Norwegen-Romane von Christine Kabus: Töchter des Nordlichts. Das Lied des Nordwinds. Das Geheimnis der Fjordinsel. Im Land der weiten Fjorde. Insel der blauen Gletscher.

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<p>Christine Kabus, 1964 in Würzburg geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Germanistik und Geschichte als Dramaturgin und Lektorin bei verschiedenen Film- und Theaterproduktionen, bevor sie sich 2003 als Drehbuchautorin selbstständig machte. Schon als Kind faszinierte sie der hohe Norden. Vor allem die ursprüngliche, mythische Landschaft Norwegens beflügelte ihre Phantasie. Sie begann, die Sprache zu lernen und sich intensiv mit der Geschichte Norwegens zu beschäftigen. Insgesamt liegen bei Bastei Lübbe sechs Norwegen-Romane von Christine Kabus vor.<br></p>

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Bonn, Mai 1895 – Clara

Clara Ordal spürte, wie sich eine kleine Hand in ihre schob. Paul war neben sie getreten und schmiegte sich gegen ihre Hüfte. Sie umschloss die feingliedrigen Finger des Sechsjährigen und zog seinen schmalen Körper, der in einem frisch gebügelten Matrosenanzug steckte, näher an sich. Er hob den Kopf und suchte ihre Augen.

»Dauert das noch lang?«, flüsterte er kaum hörbar und deutete mit dem Kinn auf einen älteren Herrn mit ergrautem Backenbart, der vor wenigen Augenblicken begonnen hatte, eine Ansprache zu halten. Clara strich ihrem Sohn eine blonde Locke aus der Stirn, die unter seiner runden Matrosenmütze mit dem versteiften Teller hervorlugte, und zuckte mit einem bedauernden Lächeln die Schultern. Wenn Professor Dahlmann die Gelegenheit bekam, eine Rede zu halten, nutzte er dies weidlich aus. Pauls Geduld würde auf eine harte Probe gestellt werden.

Sie befanden sich auf der Veranda des schwimmenden Bootshauses, das der Bonner Ruderverein unweit der Fährgasse am Rheinufer sein Eigen nannte. Es war ein geräumiger Bau, der nicht nur dem umfangreichen Bootspark des Klubs Platz bot, sondern auch einem Saal für Festlichkeiten, in dem sich die Mitglieder, die großen Wert auf gesellige Zusammenkünfte legten, regelmäßig versammelten. An diesem Nachmittag hatte das schöne Wetter die kleine Gesellschaft, die sich zu Ehren von Olaf Ordal eingefunden hatte, nach draußen gelockt. Später würde man im Festsaal speisen, der Sektempfang und die Reden fanden jedoch unter freiem Himmel statt.

Eine auffrischende Brise ließ die blauen Dreieckswimpel mit weißem Stern flattern, die an einer Girlande an der Front des Vereinshauses befestigt waren. Clara schloss kurz die Augen und sog tief die Luft ein, die nach feuchter Erde und dem Tang roch, der auf die vom Wasser umspülten Steine des Uferdamms angeschwemmt worden war. In diesen herben Geruch mischte sich die süße Note einer violett und weiß blühenden Fliederhecke, die einen Garten nahe des Flusses umgab. Der Mai ließ sich in diesem Jahr ungewöhnlich mild an. Die Bäume der Uferpromenade waren von zartem Grün bedeckt, und in den Blumenrabatten hatte man die verblühten Tulpen und Narzissen längst gegen Pelargonien, Fuchsien und Löwenmäulchen ausgetauscht. Der Schrei einer Möwe, die über das Bootshaus flog, ließ Clara aufblicken. Die Sonnenstrahlen zauberten Lichtreflexe auf die Wellen des träge dahinfließenden Flusses und wurden von den glänzenden Seidenstoffen und den polierten Knöpfen der Damenkleider und den Perlen und Edelsteinen der Halsketten und Armbänder reflektiert.

Clara hatte sich für einen bodenlangen dunkelblauen Rock mit einer gestickten Zierborte entschieden und für eine hochgeschlossene Bluse mit aufgepufften Ärmeln, die wegen ihrer Form Hammelkeulen genannt wurden. Bei manchen Damen waren diese so aufgebauscht, dass sie an Ballons erinnerten. Einige Frauen trugen leichte Capes oder kurze Umhänge, die bis zu den stark betonten Wespentaillen der trichterförmigen Röcke reichten. Die Herren waren teils in Uniform erschienen, ansonsten sah man viele graue und schwarze Anzugjacketts oder Gehröcke, vereinzelt auch modische Cutaways mit den typischen abgerundeten Vorderschößen. Die melonenförmigen Hüte und hohen Zylinder der Männer bildeten in ihrer Nüchternheit einen auffälligen Kontrast zu der mit Seidenblumen und Federn geschmückten Pracht, die die Damen auf ihren Köpfen balancierten.

Clara, die sich an den Rand der Plattform hinter die rund zwei Dutzend Gäste gestellt hatte, suchte den Blick ihres Mannes, der neben dem Redner vor dem Eingang des Bootshauses stand. Olaf Ordal überragte den Professor um Haupteslänge. Wie sein Sohn Paul hatte er eine schmale Statur, die gleichen hellblauen Augen und blonden Haare, die sich bei Olaf jedoch bereits merklich lichteten und eine hohe Stirn freigaben. Gepaart mit dem nachdenklichen Gesichtsausdruck ließ sie ihn älter wirken als seine dreißig Jahre. Er schaute über die Köpfe der Anwesenden hinweg ins Leere, ohne Claras Blick zu bemerken. Was er wohl gerade dachte? Eine Frage, die sie sich oft stellte. Und auf die sie fast nie eine Antwort erhielt. Olaf Ordal pflegte die Dinge mit sich