: Christine Kabus
: Das Lied des Nordwinds Norwegen-Roman
: beHEARTBEAT
: 9783751706193
: 1
: CHF 5.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 624
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Zwei Frauen, ein Geheimnis und eine unverhoffte Reise ...

Norwegen, 1905. Das Jahr, in dem das Land um seine Unabhängigkeit ringt, markiert auch für zwei sehr unterschiedliche Frauen einen Wendepunkt: In Stavanger tritt Liv eine Stelle als Dienstmagd an und muss schon bald die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen. Darf sie sich gegen ihren Dienstherren stellen, um einem kleinen Jungen zu helfen, den ein trauriges Schicksal erwartet?

Auch für die junge Gräfin Karoline im fernen Schlesien steht ihre Existenz auf dem Spiel. Der Familienbesitz würde an einen entfernten Verwandten gehen, wenn ihr schwerkranker Mann ohne Erben stirbt. Als sie erfährt, dass er kurz vor der Hochzeit in Norwegen ein Kind gezeugt hat, schmiedet sie einen abenteuerlichen Plan ...

Große Gefühle und dunkle Geheimnisse vor der eindrucksvollen Kulisse Norwegens: Mit 'Das Lied des Nordwinds' legt Christine Kabus einen opulent erzählten, mitreißenden Roman vor.

Weitere Norwegen-Romane von Christine Kabus: Töchter des Nordlichts. Das Geheimnis der Fjordinsel. Das Geheimnis der Mittsommernacht. Im Land der weiten Fjorde. Insel der blauen Gletscher.

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<p>Christine Kabus, 1964 in Würzburg geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Germanistik und Geschichte als Dramaturgin und Lektorin bei verschiedenen Film- und Theaterproduktionen, bevor sie sich 2003 als Drehbuchautorin selbstständig machte. Schon als Kind faszinierte sie der hohe Norden. Vor allem die ursprüngliche, mythische Landschaft Norwegens beflügelte ihre Phantasie. Sie begann, die Sprache zu lernen und sich intensiv mit der Geschichte Norwegens zu beschäftigen. Insgesamt liegen bei Bastei Lübbe sechs Norwegen-Romane von Christine Kabus vor.</p>

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Schlesien, April 1905  Karoline

»So konnte sie ungestört dasitzen und in die Stille hinausträumen, die bläulichklare, sternhelle Wüstennacht, die ringsum, als sei man auf hoher See, in das Dämmernde, Grenzenlose verschwamm. Die Reihen der Sanddünen hatten jetzt nicht mehr das Wilde, Fahle, die Senkungen der Salztümpel nicht mehr das geisterhaft Weiße und Unheimliche wie unter den sengenden, unerbittlichen Strahlen der Sonne. Die Milde des Mondes verklärte alles. Sie löste die harten, trotzig und unvermittelt nebeneinander stehenden Farbtöne des Tages  diesen Dreiklang vom Blau des Himmels und Gelb des Sandes und Weiß des Salzes, der dort in tiefdunklen Schatten über die Öde wob, ihre Unfruchtbarkeit verhüllte, ihre Furchtbarkeit dämpfte und aus dem, was unter dem Schein der Sonne ein Reich des Todes war, in der stillen Nacht ein geheimnisvolles Traum- und Zauberland machte.«

Karoline ließ die Zeitschrift auf ihre Knie sinken, schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie die Wüste aussah, wie sich sengende Hitze anfühlte, wie es war, wenn der Mund austrocknete und ein Schluck Wasser das Köstlichste war, was man sich nur wünschen konnte. Seit Januar begleitete sie nun Gerta, die Heldin von Rudolf Stratz Roman »Die Hand der Fatme«, der in Fortsetzungen in der »Gartenlaube« gedruckt wurde. Jede Woche fieberte sie dem Erscheinen der nächsten Ausgabe entgegen, um die Geschicke der jungen Adligen weiter zu verfolgen. Gerta, die unter falschem Namen nach Tunesien gereist war, um ihren Bruder zu suchen, war Karoline in den vergangenen Monaten eine vertraute Freundin geworden, mit der sie zuweilen innere Zwiesprache hielt.

Mit ihren zweiundzwanzig Jahren war die Romanfigur zwar vier Jahre jünger als Karoline, nahm sich in deren Augen jedoch um Längen selbstbewusster und mutiger aus als sie selbst. Nie im Leben würde sie sich getrauen, gegen den Willen ihrer Familie mutterseelenallein in die Fremde zu reisen, noch dazu in ein Land, wo an jeder Ecke Gefahren lauerten  nicht nur für Leib und Leben. Gerta wandelte mit ihrem unkonventionellen Verhalten auf einem schmalen Grat zwischen Ehrbarkeit und dem Verlust ihres guten Rufs. Sie hatte ihrem Verlobten, einem eingebildeten Schnösel, der sie von oben herab behandelte und sich nicht um die Gefühle anderer scherte, den Laufpass gegeben. Gertas Unerschrockenheit imponierte Karoline. Dabei kannte die Romanheldin durchaus auch Momente, in denen sie verzagte und am liebsten aufgegeben hätte. Doch der Gedanke an Frank, den verwegenen Abenteurer, den sie in der Sahara kennen- und lieben gelernt hatte, gab ihr stets neue Kraft und Zuversicht.

Karoline öffnete die Augen. Ja, mit einem Mann wie Frank ben Salem an der Seite mochte es wohl leicht für eine Frau sein, Stärke zu beweisen und unbeirrt ihren Weg zu gehen. Einem Mann, der an sie glaubte, sie mit Respekt behandelte und ihr ritterlich zu Hilfe eilte, wenn sie in der Patsche saß.

Ein kühler Luftzug ließ Karoline erschauern und verwehte die Bilder von der lauen Wüstennacht, in die sie beim Lesen eingetaucht war. Das Rascheln der Palmenblätter wurde vom Rauschen des Regens übertönt, der seit zwei Tagen ohne Unterlass niederging. Karoline stand auf und ging zum Fenster, das eine Böe aufgedrückt hatte. Bevor sie es schloss, warf sie einen Blick zum Himmel. Dunkel lastete er dicht über den Bäumen des Parks, der sich hinter dem Herrenhaus ausbreitete, das seit neun Jahren ihr Zuhause war. Die Wolkendecke war lückenlos, kein Lichtstreif erhellte das Grau. Aus südlicher Richtung, vom Riesengebirge her, tönte dumpfes Donnergrollen. Das trübe Dämmerlicht verriet nicht, wie weit der Tag fortgeschritten war. Der Geruch feuchten Mauerwerks drang in Karolines Nase, gemischt mit dem herben Duft des Efeus, der an der Rückseite von Schloss Katzbach emporrankte. Sie drückte die Fensterflügel fest in den Rahmen und legte den Riegel um. Er hatte zu viel Spiel und würde sich beim nächsten starken Windstoß erneut lösen. Auch die Scharniere der Fenster und Läden waren ausgeleiert und vom Rost zerfressen. Sie g