: Nora Roberts
: Insel der Sehnsucht Roman
: Heyne
: 9783641091910
: 1
: CHF 8.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 480
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn ein furchtbares Geheimnis dich einholt
Trotz der aufkeimenden Liebe zu Nathan, ihrem Freund aus Jugendtagen, hat die junge Fotografin Jo keine Augen für die Schönheit der Insel Desire, auf der sie aufgewachsen ist. Anonym werden ihr beängstigende Fotos zugestellt, die beunruhigende Schatten der Vergangenheit heraufbeschwören. Wieder kommen die Konflikte ihrer Familie ans Tageslicht, und Jo muss sich erneut mit dem Trauma ihrer Kindheit auseinandersetzen: Eines Nachts war ihre Mutter spurlos verschwunden.

Nora Roberts wurde 1950 in Maryland geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1981. Inzwischen zählt sie zu den meistgelesenen Autorinnen der Welt: Ihre Bücher haben eine weltweite Gesamtauflage von über 500 Millionen Exemplaren. Auch in Deutschland erobern ihre Bücher und Hörbücher regelmäßig die Bestsellerlisten. Nora Roberts hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Ehemann in Maryland.

Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht Nora Roberts seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane.

Zwei


Bei Tagesanbruch hing wie ein schwindender Traum noch Dunst in der Luft. Lichtstrahlen durchbrachen den Baldachin des Eichenlaubs und ließen den Tau glitzern. Ammern und Teichrohrsänger erwachten in ihren Nestern im dichten Geäst und sangen ihre Morgenlieder. Ein Kardinal schoß wie ein roter Blitz lautlos zwischen den Bäumen hindurch.

Er liebte diese Tageszeit. In der Morgendämmerung forderte noch niemand seine Zeit oder Energie, und er konnte allein sein, konnte seinen Gedanken nachhängen.

Brian Hathaway hatte noch nirgendwo anders als auf Desire gelebt. Und er hatte nie etwas anderes gewollt. Er war auf dem Festland gewesen und hatte Großstädte besucht. Einmal hatte er sogar spontan Urlaub in Mexiko gemacht, so daß man sagen konnte, er war schon im Ausland gewesen.

Aber Desire war, mit all seinen Vorzügen und Nachteilen, seine Heimat. In einer stürmischen Septembernacht vor dreißig Jahren war er hier geboren worden. In dem mächtigen eichenen Himmelbett, in dem er heute schlief, hatten ihn sein Vater und eine alte, Maiskolbenpfeife rauchende Schwarze, deren Eltern Haussklaven bei seinen Vorfahren gewesen waren, ans Licht der Welt geholt.

Miss Effie hieß die alte Frau, und als er noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte sie ihm oft die Geschichte seiner Geburt erzählt. Wie der Wind geheult und das Meer getost hatte, und wie seine Mutter in dem großen Haus, in dem mächtigen Bett niedergekommen war und ihn wie eine Kriegerin lachend aus ihrem Leib katapultiert hatte, direkt in die Arme seines ungeduldig wartenden Vaters.

Es war eine schöne Geschichte. Früher hatte sich Brian vorstellen können, wie seine Mutter gelacht und sein Vater gespannt darauf gewartet hatte, ihn in die Arme zu nehmen.

Jetzt war seine Mutter schon lange fort und die alte Miss Effie schon lange tot. Es war lange, lange her, daß sein Vater darauf gewartet hatte, ihn in die Arme zu nehmen.

Brian ging durch den sich allmählich lichtenden Morgennebel, unter hohen Bäumen hindurch, deren Stämme mit violetten und roten Flechten überzogen waren, durch das kühle, diffuse Licht, das die Farne und das Palmendickicht umgab. Er war ein großer, schlaksiger Mann, der in seiner Gestalt seinem Vater sehr ähnelte. Er hatte dunkles, widerspenstiges Haar, einen bräunlichen Teint und kühle blaue Augen. Frauen fanden sein schmales Gesicht melancholisch und sehr anziehend. Sein Mund war entschlossen und eher grüblerisch als fröhlich.

Und das fanden die Frauen ebenfalls anziehend – die Herausforderung, diese Lippen zu einem Lächeln zu bewegen.

Die fast unmerkliche Veränderung des Lichts verriet ihm, daß es Zeit war, nach Sanctuary zurückzukehren. Er mußte den Gästen Frühstück machen.

Brian fühlte sich in der Küche ebenso wohl wie im Wald. Auch das war ein Punkt, den sein Vater sehr seltsam fand. Und Brian hatte schon das eine oder andere Mal amüsiert bemerkt, daß sich Sam Hathaway fragte, ob sein Sohn wohl schwul sei. Denn wenn ein Mann kochte, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, konnte schließlich mit ihm irgendwas nicht stimmen.

Wenn es ihre Art gewesen wäre, offen über solche Dinge zu sprechen, hätte Brian ihm gesagt, daß er durchaus Spaß daran hatte, perfekte Baisers zuzubereiten, und beim Sex trotzdem Frauen bevorz