: Hans Kollhoff
: Anne Hamilton
: Architekten Ein Metier baut ab
: zu Klampen Verlag
: 9783866749566
: zu Klampen Essays
: 1
: CHF 10.80
:
: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 128
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Von jeher galt es, nützlich, dauerhaft und schön zu bauen. Erst das »Neue Bauen« brach nach dem Ersten Weltkrieg mit der Überlieferung. Ein abstraktes Architekturverständnis wurde propagiert, man glaubte, auf den Schatz jahrhundertelanger Erfahrung verzichten zu können. Diese im Funktionalismus gipfelnde stadtzerstörerische und lebensfeindliche Praxis rief Widerstand auf den Plan, der an die Grundlagen des Architektonischen erinnerte. Damit rückte auch eine Selbstverständlichkeit wieder in den Blick, die angestrengter Beteuerungen nicht bedurfte: die Nachhaltigkeit. Doch mit dem »Green Deal« - der wundersamen Verschwisterung von Ökologie und Kommerz - steht dem Bauen nur ein weiteres unheilvolles Experiment bevor. Den Architekten allerdings beginnt die allzu bereitwillig akzeptierte Rolle als kreative Verpackungskünstler suspekt zu werden. Die Auflösung ihres Metiers in einer politisch motivierten, konsumdienlichen »Baukultur« jedenfalls wollen sie nicht widerspruchslos hinnehmen.

Hans Kollhoff, geboren 1946, gehört zu den profiliertesten Architekten weltweit. Von 1990 bis 2012 war er Professor für Architektur und Konstruktion an der ETH Zürich. Er hat Büros in Berlin, Den Haag und in Florenz etabliert und war Präsident der Internationalen Bauakademie Berlin.

Architekten, Ihr schafft Euch ab!


»Auf die Zukunft bauen« will die Bundesarchitektenkammer, dafür sorgen, »dass die gebaute Umwelt dem gesellschaftlichen Wandel gerecht werden kann«. Das soll gelingen mit einem »Europäischen Bauhaus«, das die EU-Kommissionspräsidentin Frau von der Leyen ins Gespräch gebracht hat und das von der Bundesarchitektenkammer »geradezu enthusiastisch« begrüßt wurde. Eine europaweite Umbaukultur, ein Systemwandel steht ins Haus.

Darüber scheint in Vergessenheit zu geraten, dass die Architekten nicht nur vor einem gesellschaftlichen Wandel stehen, sondern dass die Menschen einer hinreichenden Kontinuität bedürfen bei allem Trubel, der um sie herum passiert. Heute, wo sich alles ohne ihr Zutun verändert und unser Beruf Mühe hat, den technischen »Innovationen«, getrieben von ökonomischen Interessen, zu folgen, ist doch die große Herausforderung für den Architekten mehr denn je, dem Menschen das Gefühl zu geben, gut aufgehoben zu sein, in seinem Haus, seinem Dorf und seiner Stadt. »Zukunft« ist zu einer Marketingstrategie verkommen. Muss man immer dabei sein, wenn die allerneuesten »Visionen« in die Welt gesetzt werden von Leuten, deren Leben von den Auswirkungen unberührt bleibt? Neuheiten, von denen schon die nächste Generation nichts mehr wissen will? Wer legt denn Wert darauf, seinen Herd mit dem iPhone einzuschalten, wenn er sich nach einem arbeitsreichen Tag auf den Heimweg begibt! Wer ist wirklich davon überzeugt, Energie zu sparen mit »intelligenten« Steckdosen und Lichtschaltern! Wer würde freiwillig Fenster einbauen, die man nicht öffnen kann, und sein Wohnzimmer mit Löchern für Lüftungsklappen perforieren? Im Zuge der Pandemie wurde wenigstens diese peinliche Idee stillschweigend begraben.

Europäische Gesellschaften konstituieren sich noch immer an Orten, die eine Geschichte haben und eine Physiognomie, die an ihrer Bausubstanz physisch erfahrbar wird. Deshalb wehren die Bürger sich dagegen, wenn ihr Dorf oder ihre Stadt durch Abriss oder Neubau das Gesicht zu verlieren droht, und deshalb ruft man lautstark nach Wiederaufbau bei Verlusten, die auch nach Generationen nicht zu verschmerzen sind. Um die Fortschreibung dieser identitätsstiftenden Geschichte kümmern sich recht eigentlich die Architekten, indem sie nach Vitruv schön, nützlich und dauerhaft bauen.

Das so verstandene Bauen entzieht sich dem zyklischen Denken, das sich fatalerweise einzuschleichen beginnt in die Nachhaltigkeit-Standards und damit die Architektur an einer existentiellen Stelle trifft und das Metier in Frage stellt. Der Architekt baut prinzipiell für die Ewigkeit, schon aus gesellschaftlicher Verantwortung. Dass uns das heute nicht mehr so recht gelingen will, ist ein Problem, das es mit jedem Projekt von neuem zu lösen gilt. Häuser, Dörfer und Städte sind keine Konsumgüter. Sie sind wie die Erde rücksichtsvoll zu behandeln, zu pflegen und vor dem Verbrauch zu schützen.

Im Konsumkapitalismus stellt das dauerhafte, potentiell ewig haltbare Gebäude ein Ärgernis dar. Je besser es gebaut, je schöner, nützlicher und haltbarer es ist, desto bescheidener der Profit, den man daraus ziehen kann. Seine Qualitäten finden denn auch in der offiziellen Wohlstandskalkulation, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), keine Berücksichtigung. Erst wenn man dieses Haus abreißt und neu baut, in welch schäbiger Qualität auch immer, geht es mit unse