: Manuel Chaves Nogales
: Frank Henseleit
: Ifni Spaniens letztes koloniale Abenteuer
: Kupido Literaturverlag
: 9783966750363
: 1
: CHF 9.80
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: Reiseberichte, Reiseerzählungen
: German
: 150
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897 - London, 1944) eilt der Ruf voraus, die literarische Entdeckung der letzten Jahrzehnte zu sein. Die Wiederherstellung seines Werkes ist spektakulär und noch nicht abgeschlossen. In Spanien ist Chaves Nogales heute einer der meistdiskutierten Intellektuellen aus der Zeit der Zweiten Spanischen Republik. 'Von sehr wenigen Menschen kann man sagen, er habe die literarische Landkarte seines Landes vergrößert. Als sei da plötzlich in den Anden ein Berg mehr: Don Quijote, Madame Bovary, die Recherche und einer, den wir noch nicht gesehen haben - direkt neben dem Aconcagua noch ein Aconcagua.' - Antonio Muñoz Molina

Manuel Chaves Nogales (Sevilla, 1897 - London, 1944). Kaum einer steht in Spanien aufrechter für das Schicksal der verfolgten spanischen Intelligenz und der Republik. Dank seiner nicht zu brechenden Liberalität führt Spanien heute einen aufgeklärten Diskurs über seine Geschichte. In Deutschland nahezu unbekannt, zählt Chaves Nogales inzwischen zu den integersten Stimmen Europas. Zwischen 1928 und 1944 verfasste er zahlreiche Werke über Frankreich, Russland und Deutschland. Franco degradierte ihn zur namenlosen Person. Er stirbt im englischen Exil und gerät in 'perfekte Vergessenheit'. Sechzig Jahre nach seinem Tod wird sein Werk entdeckt.

Einführung zur ersten deutschsprachigen Ausgabe

Die Ereignisse von Annual bedeuteten für Spanien eine Zäsur.

Im Sommer 1921 erlebte das spanische Heer bei Annual im nördlichen Marokko eine Niederlage, die als ›Das Desaster‹ oder ›Die Katastrophe‹ von Annual in die spanische Geschichte einging und oft nur ›Annual‹ heißt. Der aus der ›Katastrophe‹ hervorgehende militärische Strategiewechsel der Spanier ist vor allem ein Beispiel menschlicher Niedertracht und bezeugt, wie sich Feinde, die sich im ersten Weltkrieg noch unversöhnlich gegenüberstanden, verbünden konnten, um das Geschäft mit der schmutzigsten aller Kriegswaffen aufrechtzuerhalten: Gas. ›Annual‹ war die Folge unfähiger spanischer Diplomatie, die aus einem glühenden Sympathisanten, Abd El-Krim, einen erbitterten Feind alles Spanischen machte, der dann seinerseits kein Erbarmen mit den Besatzern kannte. In einem Jahre dauernden Feldzug verseuchten spanische und französische Militärs das Rif. Weite Landstriche sind seit dem Einsatz von Senfgas, den ein deutsches Unternehmen unter Leitung von Hugo Stelzenberg strategisch plante, heute, einhundert Jahre später, noch unfruchtbar. Die Auslöschung der vegetativen Lebensgrundlage war blindwütige Rache gegen einen unterlegenen aber taktisch versierten Gegner. Ein Blick auf die Personalie zeigt, dass dieselben Akteure, die ›Annual‹ zu verantworten hatten, Spaniens düsteres Schicksal für weitere 55 Jahre – bis 1975/76 – bestimmten, von denen neben zahlreichen Militärs und Politikern Miguel Primo de Rivera (›Diktatur Primo de Rivera‹ 1923–1930) und Francisco Franco (›Diktatur General Franco‹ 1939–1975) die bekanntesten sind. Spanien war bis 1923 eine Monarchie (König Alfons XIII dankte auch wegen ›Annual‹ unfreiwillig ab) und zwischen 1931 und 1936 eine Republik, gegen die Franco putschte, den man aufgrund seiner Erfolge in Marokko inzwischen zum General Franco ernannt hatte. Auf die Republik folgte der Spanische Bürgerkrieg. Die republikanischen Truppen verteidigten sich gegen die Angriffe der Faschisten bis 1939, hatten sich aber auch Gegnern aus den kommunistischen und anarchistischen Lagern zu erwehren. Sie standen, gleichsam die republikanische Idee der Freiheit, als gemeinsamer Gegner des Totalitarismus zwischen den Systemen, den ideologischen Antagonisten Faschismus und Bolschewismus, die den europäischen Kontinent in die Zange nahmen.

1934, drei Jahre nach Ausrufung der Republik, der demokratische Wahlen vorausgegangen waren, und drei Jahre vor dem Aufstand der Faschisten, der unter Führung Francos von Marokko aus begann, köchelte immer wieder ein Thema hoch, das in unmittelbarem Zusammenhang mit ›Annual‹ stand. Befeuert von reaktionären Monarchisten, die sich mit Nationalisten, Militaristen und sonstigen Feinden der Demokratie zu einer Phalanx gegen die Republik verbündeten.

Besagtes Thema war eine Anzahl von 300 Gefangenen – spanische Soldaten –, die sich in den Händen der Mauren befinden sollten. Abd El-Krim, der für die Idee einer Rif-Republik gekämpft hatte und in der arabischen Welt mit der Aura eines Ché Guevara versehen ist, war den Franzosen unter Philippe Pétain, der auch deutsches Gas im Rif-Krieg einsetzte, unterlegen und 1926 in die Verbannung gegangen. Seither war Marokko in französische und spanische Protektorate aufgeteilt, die von vielen rebellischen Zonen durchzogen waren, die keinen Anführer wie Abd El-Krim mehr hatten, aber mit dem aufkommenden Kemalismus am anderen Ende ihrer Hemisphäre liebäugelten. Ein Machtvakuum in der Provinz Ifni bewog die Republik Spanien schließlich, den Anspruch auf die