: Lucinda Riley
: Das italienische Mädchen Roman
: Goldmann
: 9783641119072
: 1
: CHF 9.80
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 560
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Bestseller von der Autorin von 'Das Orchideenhaus'
Mit elf Jahren begegnet Rosanna Menici zum ersten Mal dem Mann, der ihr Schicksal bestimmen wird. Der junge Tenor Roberto Rossini ist in seiner Heimat Neapel bereits ein umschwärmter Star und schenkt dem schüchternen Mädchen, das bei einer Familienfeier singen soll, kaum Beachtung. Doch als die ersten Töne den Raum erfüllen, kann er seine Augen nicht mehr von Rosanna lösen, so rein und einzigartig ist diese Stimme. Sechs Jahre später treffen Rosanna und Roberto an der Mailänder Scala wieder aufeinander - und gemeinsam treten sie einen unvergleichlichen Siegeszug durch die Opernhäuser der Welt an. Doch ihre leidenschaftliche Liebe wird zu einer Obsession, die sie für alles um sie herum blind werden lässt ...

Lucinda Riley wurde in Irland geboren und verbrachte als Kind mehrere Jahre in Fernost. Sie liebte es zu reisen und war nach wie vor den Orten ihrer Kindheit sehr verbunden. Nach einer Karriere als Theater- und Fernsehschauspielerin konzentrierte sich Lucinda Riley ganz auf das Schreiben - und das mit sensationellem Erfolg: Seit ihrem gefeierten Roman »Das Orchideenhaus« stand jedes ihrer Bücher an der Spitze der internationalen Bestsellerlisten, allein die Romane der »Sieben-Schwestern«-Serie wurden weltweit bisher 30 Millionen Mal verkauft. Lucinda Riley lebte mit ihrem Mann und ihren vier Kindern im englischen Norfolk und in West Cork, Irland. Sie verstarb im Juni 2021.

1

Neapel, Italien, August 1967

Rosanna Antonia Menici stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt sich am Waschbecken fest, um in den Spiegel zu schauen. Sie musste sich ein wenig nach links neigen, weil sich ein Sprung darin befand, und konnte nur ihr rechtes Auge sowie ihre rechte Wange und nichts von ihrem Kinn sehen; dazu war sie sogar noch auf Zehenspitzen zu klein.

»Rosanna! Kommst du wohl endlich aus dem Bad!«

Seufzend ging Rosannaüber den schwarzen Linoleumboden zur Tür und entriegelte sie. Sofort wurde die Klinke heruntergedrückt, und Carlotta hastete herein.

»Warum sperrst du zu, du Dummkopf? Hast du was zu verbergen?« Carlotta drehte die Hähne der Badewanne auf und steckte ihre langen dunklen Locken oben am Kopf zusammen.

Rosanna zuckte verlegen mit den Achseln; sie hätte sich gewünscht, von Gott genauso hübsch geschaffen worden zu sein wie ihreältere Schwester. Mamma hatte ihr erklärt, Gott gebe jedem etwas mit, und Carlotta habe er nun einmal ihre Schönheit geschenkt. Rosanna beobachtete, wie Carlotta den Bademantel auszog, unter dem ihr wohlgeformter Körper mit der makellosen Haut, den vollen Brüsten und den langen schlanken Beinen zum Vorschein kam. Die Gäste des Cafés sangen ein Loblied auf Mammas und Papàs schöne Tochter und prophezeiten, dass sie eines Tages einen reichen Mann heiraten würde.

Das kleine Bad füllte sich mit Dampf, als Carlotta die Hähne zudrehte und in die Wanne stieg.

Rosanna setzte sich auf den Rand.»Kommt Giulio heute Abend?«, fragte sie ihre Schwester.

»Ja.«

»Meinst du, du wirst ihn heiraten?«

Carlotta begann, sich einzuseifen.»Nein, Rosanna, das habe ich nicht vor.«

»Ich dachte, du magst ihn?«

»Ja… Ach, du bist zu jung, um das zu verstehen.«

»Papà kann ihn gut leiden.«

»Das weiß ich. Er kommt aus einer wohlhabenden Familie.« Carlotta hob eine Augenbraue und stieß einen theatralischen Seufzer aus.»Ich finde ihn langweilig. Papà würde mich am liebsten schon morgen mit ihm vor dem Traualtar sehen, aber ich möchte zuerst noch ein bisschen Spaß haben und das Leben genießen.«

»Macht Heiraten denn keinen Spaß? Man trägt ein hübsches Hochzeitskleid, bekommt jede Menge Geschenke und eine eigene Wohnung und…«

»… eine Horde schreiender Kinder und einen Bauch«, führte Carlotta den Satz für sie zu Ende, während sie mit der Seifeüber ihren schlanken Körper glitt.»Was starrst du so? Verschwinde, Rosanna, und lass mir zehn Minuten meine Ruhe. Mamma braucht dich unten. Und mach die Tür hinter dir zu!«

Rosanna verließ schweigend das Bad, ging die steile Holztreppe hinunter und betrat das Café. Die Wände waren gerade erst geweißelt worden, undüber der Bar im hinteren Bereich des Raums hing ein Gemälde der Madonna neben einem Poster von Frank Sinatra. Die dunklen Holztische waren hochglanzpoliert, auf jedem stand eine leere Weinflasche mit einer Kerze.

»Da bist du ja! Wo hast du gesteckt? Ich rufe schon die ganze Zeit nach dir. Hilf mir mal beim Aufhängen.«

»Ja, Mamma.« Rosanna zog einen Holzstuhl unter einem der Tische hervor und rückte ihn zu dem Bogen in der Mitte des Cafés.

»Beeil dich, Kind! Gott hat dir deine Beine zum Laufen gegeben und dich nicht als Schnecke erschaffen«, sagte Antonia Menici, die bereits auf einem Stuhl stand, eine Ecke eines bunten Lakens in der Hand. Der Stuhl geriet unter ihrem beträchtlichen Gewicht gefährlich ins Wanken. Rosanna ergriff das andere Ende des Stoffs und kletterte hinauf.

»Schieb die Schlaufeüber den Nagel«, wies Antonia sie an.

Rosanna tat, wie ihr geheißen.

»Und jetzt hilf deiner Mamma herunter. Wir wollen sehen, ob es gerade hängt.«

Rosanna sprang auf den Boden und stützte Antonia beim Herunterklettern. Die Handflächen ihrer Mutter waren feucht, Rosanna bemerkte den Schweiß auf ihrer Stirn.

»Bene, bene.« Antonia betrachtete ihr Werk zufrieden.

Rosanna las laut die Worte auf dem Transparent:»Herzlichen Glückwunsch zum dreißigsten Hochzeitstag– Maria und Massimo!«

Antonia legte die Arme um ihre Tochter und drückte diese zu ihrer Verwunderung an sich.»Das wird eine wunderbareÜberraschung! Sie glauben, es gibt bloß ein Abendessen mit Papà und mir. Ich bin auf ihre Gesichter gespannt, wenn sie alle ihre Freunde und Verwandten sehen.« Sie strahlte. Antonia löste sich von Rosanna, setzte sich auf den Stuhl und wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab. Dann beugte sie sich vor und winkte Rosanna zu sich.»Rosanna, ich verrate dir was. Ich hab Roberto geschrieben. Er kommt zu dem Fest eigens aus Mailand und singt für seine Mamma und seinen Papà, hier im Café! Morgen wird die ganze Piedigrotta von uns reden!«

»Ja, Mamma. Er singt Schnulzen, stimmt’s?«

»Schnulzen? Was sagst du da? Roberto Rossini ist kein Schnulzensänger, sondern lernt an derscuola di musica der Mailänder Scala. Eines Tages wird er in der Scala auftreten.«

Antonia presste die Hände auf ihren Busen. Rosanna erinnerte das ein wenig an den Gottesdienst in der Kirche.

»Geh jetzt Papà und Luca in der Küche zur Hand. Es gibt viel zu tun vor dem Fest, und ich möchte mir noch bei Signora Barezi die Haare machen lassen.«

»Hilft Carlotta auch?«, fragte Rosanna.

»Nein. Sie begleitet mich zu Signora Barezi. Wir müssen heute Abend schön sein.«

»Was soll ich anziehen, Mamma?«

»Du hast doch das rosafarbene Kleid für die Kirche.«

»Das ist mir zu klein. Darin sehe ich albern aus«, jamme