: Tanja Weber
: Unter dem Moor Roman | Ein überwältigender Generationenroman über drei Frauen am Stettiner Haff
: Ullstein
: 9783843731331
: 1
: CHF 4.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Drei Frauen, drei Leben, eine stirbt, eine rächt sich und eine kann sich retten 1936 wird die 14-jährige Gine zum Landjahr ans Stettiner Haff geschickt, wo endlose Weite Hoffnung verspricht und salzige Böden die Geheimnisse der Menschen hüten. Als sich dort ein Mann an Gine vergeht, schwört das Mädchen Rache und ahnt nicht, wie sehr es damit den Lauf der Zeit beeinflussen wird. Jahrzehnte später zieht sich die überarbeitete Berliner Ärztin Nina in die endlosen Weiten Mecklenburg-Vorpommerns zurück und macht einen erschreckenden Fund. Im geteilten Deutschland träumt die zwanzigjährige Sigrun vom Ausbruch aus den eng gesteckten Grenzen des DDR-Systems. Ihre Geschichte sickert mit dem Wasser des Haffs in den torfigen Boden, bis sie von Nina aufgespürt wird.

Früher hatte Tanja Weber großen Respekt davor, ein Buch zu schreiben. Doch seit sie einmal damit angefangen hat, kann sie nicht mehr aufhören: Aus einem Roman entstehen immer wieder Ideen für weitere. Sie ist eine Wandlerin zwischen den Welten, mit einer?unbändigen Sehnsucht nach Veränderung, deshalb wagt sie sich immer wieder an neue Stoffe. Ihre Bücher handeln von Menschen, die sich etwas trauen, obwohl sie Angst haben, und sie erzählen von all den Zumutungen,?denen?wir?im?Lebe ?ausgesetzt?sind.?

Einige Wochen zuvor


»Ein Sabbatical.«

Das Geräusch des Stiftes, der in regelmäßigen Abständen auf die Tischplatte knallte, schmerzte in Ninas Ohren. Tocktocktock. Iovannas geballter Unmut lag in diesem Geräusch. Tocktocktocktock.

Iovanna selbst blickte zum Fenster hinaus, in die Berliner Sommerhitze. Es war Juni, aber die Stadt bereits verdorrt. An den Bäumen hingen Zettel, von Kinderhand gekritzelt:Bitte gieß mich, ich bin dein Freund. Das Gras darunter gelb, von der Sonne und dem Urin der Stadthunde. Der Asphalt glühte und schwitzte. Wenn Nina am Morgen mit dem Fahrrad über die Invalidenstraße zur Arbeit in die Charité fuhr, sich ein morgendliches Rennen mit Lastenrädern und Fixies und Gravel Bikes lieferte, dann spürte sie, wie die Straße zu brennen begann. Auf dem Nachhauseweg war die Hitze unerträglich.

Noch drei lange Monate Sommer. Noch drei Monate jeden Tag zur Arbeit fahren. Fast jeden Tag. Und auf den Sommer folgte der Herbst, ein nasser, dunkler und garstiger Berliner Herbst, der einen auf den Winter einstimmte. Und wieder von vorn.

Seit vier Jahren fuhr Nina auf dieser Strecke am Morgen in die Charité, oft auch nachts, oder im Morgengrauen nach den langen Schichten. Zehn Minuten nur, von ihrer Wohnung in der Ruppiner Straße bog sie auf die Rennstrecke in die Bernauer ein, vorbei an Mauerresten, Nordbahnhof und Naturkundemuseum, und schon war sie da. Du hast es gut, sagte Jan, ich muss jeden Tag nach Babelsberg, was jammerst du? Ich verstehe dich nicht.

Iovanna verstand sie auch nicht, Nina glaubte, dass niemand verstand, was sie fühlte, wie es ihr ging, außer vielleicht Doktor Ullrich, der sich Zeit nahm, ihr zuhörte und seine Stirn in Falten legte.

»Ich brauche einfach eine Auszeit«, hörte sie sich sagen.

Iovanna schaute sie an, ihre Mundwinkel zuckten, und sie brauchte es nicht auszusprechen, ja, sie hütete sich, es auszusprechen, sie nahm sich zusammen, Nina sah ihr an, dass Iovanna ihr lieber ein schlechtes Gewissen gemacht hätte: Für wen hältst du dic