: Johann David Wyss, Peter Stamm
: Der schweizerische Robinson. Nacherzählt von Peter Stamm
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104022628
: Die Bücher mit dem blauen Band
: 1
: CHF 9.00
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein Abenteuerklassiker, neu erzählt von Peter Stamm Die Geschichte von Robinson Crusoe gehört zu den packendsten Abenteuern der Weltliteratur - und zu den Klassikern der Kinderliteratur! Vor über 200 Jahren schuf Johann David Wyss auf dieser Grundlage eine Robinsonade für Kinder, die ein internationaler Erfolg wurde. Statt des einsamen Robinsons strandet bei Wyss eine sechsköpfige Schweizer Familie und verwandelt die Inselwildnis in jahrelanger Arbeit zu einem behaglichen Domizil. Als es schließlich die Gelegenheit zur Rückkehr in die Zivilisation gibt, muss die Familie sich entscheiden: Soll sie - wieder einmal - alles zurücklassen? Peter Stamm hat Wyss' Abenteuer-Roman nacherzählt: behutsam und voller Respekt, aber entschlossen und mit der ihm eigenen sprachlichen Feinheit.

Johann David Wyss, geboren 1743 in Bern, lebte als Pfarrer in Bern. Er starb 1818 in seiner Geburtsstadt.

1. KapitelEin Schiff läuft auf Grund. Eine Familie kann sich auf eine Insel retten. Erste Erkundungen der Insel und des Schiffswracks.


Der Sturm hatte sechs lange, schreckliche Tage gewütet. Auch am siebten legte sich das Unwetter nicht, sondern schien nur noch wilder zu rasen. Wir waren so weit von unserer Route nach Südost abgekommen, dass niemand auf dem Schiff mehr wusste, wo wir uns befanden. Ein Teil der Masten war zersplittert und verloren, das Schiff leckte, und immer mehr Wasser drang in den Rumpf. Die Mannschaft war von der harten Arbeit und den langen Wachen erschöpft und mutlos geworden. Die Matrosen, die sonst fluchten und schimpften, machten ihre Arbeit still und mit verängstigten Gesichtern.

Ich hatte mich an Deck begeben, um vom Kapitän Genaueres über unsere Lage zu erfahren, aber er hatte nur ratlos den Kopf geschüttelt. Als ich klatschnass zurück in die Kabine kam, sah ich, wie meine vier Söhne sich eng um ihre Mutter versammelt hatten und mit ihr Lieder aus der Heimat sangen. Mir zerbrach es beinahe das Herz, ihre schwachen Stimmen zu hören, die im Heulen und Brausen des Sturms fast untergingen. Sie hatten die Kabine seit Tagen nicht verlassen und schauten mich flehend an. Ich versuchte, sie zu trösten und ein wenig aufzumuntern. »Der liebe Gott weiß, wo wir sind«, sagte ich, »wenn er will, dass wir gerettet werden, so wird er uns helfen.«

Katharina, meine Frau, wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte tapfer zu sein. Aber in ihrem Gesicht sah ich, dass auch sie das Schlimmste befürchtete.

Plötzlich war durch den Lärm hindurch ein Ruf zu hören: »Land! Land!« Im selben Augenblick ging ein heftiger Stoß durch das Schiff, der mich zu Boden warf. Ein furchtbares Krachen ertönte, ein Ächzen und dann das immer lauter werdende Rauschen von eindringendem Wasser. Jetzt vernahm ich eine andere Stimme, es musste die des Kapitäns sein. »Wir sind verloren«, rief er, »macht die Schaluppen klar!«

Das ängstliche Wimmern der Kinder versetzte mir einen Stich. »Verliert nicht den Mut!«, sagte ich. »Noch ist unser Schiff nicht untergegangen. Und das Land ist nah.«

Ich rannte aus der Kabine und zurück an Deck, ich musste herausfinden, was los war. Sofort wurde ich von einer riesigen Welle umgeworfen. Ich klammerte mich an der Takelage fest, während immer neue Wogen über mich weggingen. Als ich endlich aufblicken konnte, sah ich, dass die Mannschaft in den Rettungsbooten saß und dass eben ein Matrose das Tau des letzten Bootes löste und es vom Schiff abstieß. Ich rief nach ihnen, beschwor sie, mich und meine Familie nicht zu vergessen, aber meine Stimme schien durch das Heulen des Windes nicht bis zu ihnen zu dringen.

Immerhin erkannte ich jetzt, dass das Schiff aufgelaufen war und sich so in den Felsen verkeilt hatte, dass es vorerst nicht sinken konnte. Solange es nicht zerbrach, würde der kleine Aufbau mit unserer Kajüte und jener des Kapitäns nicht überschwemmt werden. Für den Moment waren wir sicher. Durch Gischt und Regenschleier hindurch sah ich dann und wann die Silhouette einer Küstenlinie.

Ich kämpfte mich zurück in die Kabine, wo meine Familie mich hoffnungsvoll ansah. »Seid tapfer«, sagte ich, »wir sind nicht verloren. Vorerst müssen wir hierbleiben. Wenn das Wetter sich bessert, werden wir es schon irgendwie an Land schaffen.«

Die Knaben fassten sofort Vertrauen und schienen schon nicht mehr an unserer Rettung zu zweifeln. Abe