: Nicola Förg
: Mord im Bergwald Ein Alpen-Krimi
: Piper Verlag
: 9783492950961
: Alpen-Krimis
: 1
: CHF 7.30
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Im Schutzwald des Wilden Karwendel wird die Leiche eines jungen Mannes gefunden. Am nächsten Tag hat Kommissarin Irmi Mangold eine verstörende Begegnung: Der Zeitsoldat Peter Fichtl, der eine Vermisstenmeldung aufgeben will, gleicht dem Toten aufs Haar! Der Gefundene muss also sein Zwillingsbruder Pius sein. Wer hat den bei der Bauernschaft verhassten Landwirt aus Mittenwald umgebracht? Ein schwieriger Fall für die Garmischer Kommissarinnen Irmi Mangold und Kathi Reindl, die es auch privat nicht leicht haben: Irmi leidet unter ihrer Fernbeziehung, und Kathi hat eine Affäre mit dem verheirateten Nachbarn ...

Nicola Förg, Bestsellerautorin und Journalistin, hat mittlerweile dreiundzwanzig Kriminalromane verfasst, an zahlreichen Krimi-Anthologien mitgewirkt, einen Island- sowie einen Weihnachtsroman vorgelegt. »Hintertristerweiher«, ihr von der Presse vielfach gelobter Roman, ist 'eine feinsinnige Familiengeschichte, die über Generationen hinweg reicht und einen spannenden Bogen schlägt von den Wirren des Zweiten Weltkriegs bis zu den Wirrungen in der Jetztzeit.' (Münchner Merkur). Die gebürtige Oberallgäuerin, die in München Germanistik und Geografie studiert hat, lebt heute mit Familie sowie Ponys, Katzen und anderem Getier auf einem Hof in Prem am Lech - mit Tieren, Wald und Landwirtschaft kennt sie sich aus. Sie bekam für ihre Bücher mehrere Preise für ihr Engagement rund um Tier- und Umweltschutz.

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Beruhigend kraulte Vitus Weingand die Mulidame Zilly am Hals. Unwirsch schüttelte sie den Kopf und erzeugte ein unnachahmliches Geräusch, als ihre langen Ohren zusammenflappten.

Auf dem Vorplatz der Alm stand in der Morgensonne markig-breitbeinig Bernd Orlowski und gestikulierte lautstark herum. Sein oberlehrerhafter Ton schien Zilly dazu zu veranlassen, erneut den Kopf zu schütteln. Es konnte natürlich auch an der langen Warterei liegen. Eigentlich hätten Vitus, Zilly und die Haflingerin schon längst ihren Spätsommerjob antreten sollen: die Schutzwaldsanierung. Das tierische Team von Vitus Weingand kam vor allem in Naturschutzgebieten zum Einsatz, weil seine Tragtiere keinen Lärm machten wie ein Hubschrauber, keine Kerosinemissionen freisetzten und das Wild nicht erschreckten. Zudem konnte man mit Tragtieren die Pflanzen sehr dosiert absetzen. Das erleichterte später die Arbeit für die Pflanzer vom Forstamt.

Doch dieses Jahr hatte man Vitus dazu verdonnert, auch noch menschliche Helfer einzubinden. Man hatte ihm eine Freiwilligentruppe aus Alpenvereinsmitgliedern aufgehalst, angeführt von Bernd Orlowski, dem Vorsitzenden irgendeiner DAV-Sektion. Gestern Nacht hatte es gegossen, als hätte Petrus eine apokalyptische Flutwelle geschickt. Die Sonne brach sich nun in den Wassertropfen, und die steilen Karwendelkare der Soierngruppe zeigten sich in ihren charakteristischen Grauschattierungen. Karwendelgrau war ein wankelmütiger Farbton: Bei Schlechtwetter fast schwarz, bei intensiver Sonneneinstrahlung im Sommer hingegen hatten die Berge eine fast metallische Nuance. Karwendelgrau – so wandelbar wie das schroffe Gebirge.

Es würde heiß werden, so viel war klar, und Vitus wartete ungeduldig. Er wollte am frühen Nachmittag fertig sein, und zwar vor der Gewitterfront, die so sicher kommen würde wie das Amen in der Kirche. Aber Orlowski schwafelte weiter. Ein echter Saupreiß der übelsten Sorte, wie Vitus fand. Im Grunde seines gutmütigen Herzens war Vitus nämlich sehr tolerant. Bei der Feuerwehr hatten sie einen Mainzer, der war leicht integrierbar gewesen, weil er länger am Stammtisch verweilte als alle anderen Dorfbewohner. Und im Trommlerzug machte einer aus Husum mit (oder war es Büsum? – jedenfalls so ein windgepeitschter Sandfurunkel, und der war auch gut zu haben. Redete nämlich wenig, der Krabbenpuler. Was ihn markant von Orlowski unterschied. Der redete immer und überall, erklärte den Einheimischen, wie sie die Landwirtschaft effizienter gestalten könnten, und erläuterte den Zimmerern, wie sie die Nägel einzuschlagen hätten. Wahrscheinlich hätte er dem Pfarrer am liebsten die Predigten geschrieben und dem Arzt die Rezepte ausgestellt.

Mit großer Gestik wies Orlowski in Richtung Fischbachkopf und dann zu den Pflanzen, die aufgereiht an der Hütte standen. »Meine Lieben! Dort hinauf tragen wir Buche, Kiefer und Mehlbeere. Die Mehlbeere ist eine biologische Beimischung, die an südexponierten trockenen Standorten den Humus verbessert. Der Prozentsatz der Nadelbäume soll aber überwiegen, weil wir vor allem im Winter auf die Schutzfunktion der Baumkronen angewiesen sind.«

Er schaute drein, als erwarte er Beifall für seine Rede. Eintausendfünfhundert Pflanzen sollten heute bergwärts wandern, zwei Drittel davon würden ohnehin die Tiere tragen, den Rest Orlowskis Karawane. Der DAV-Mann hatte einen Heilpraktiker mit Doppelnamen dabei – »wenn a Mo si scho ned beim Nama durchsetzt, dann schaugt's schlecht aus«, hatte Vitus Zilly ins Ohr geflüstert. Mit von der Partie waren eine Juristin a. D., die immerhin ganz patent wirkte, die dürre Inhaberin eines Naturkost-Bioladens und eine Grundschullehrerin, die ihre Schulferien wohl sinnvoll nutzen wollte. Sie war dermaßen aufgeregt und hektisch,