: Jan Weyand
: Adornos Kritische Theorie des Subjekts
: zu Klampen Verlag
: 9783866749481
: Kritische Studien
: 1
: CHF 20.90
:
: 20. und 21. Jahrhundert
: German
: 223
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mit der Orientierung des Denkens vom Sein aufs Subjekt nahm die kopernikanische Wende der modernen Philosophie ihren Ausgang. Ohne Reflexion auf die subjektiven Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis schien fortan kein gesichertes Wissen mehr denkbar. Moderne Philosophie mußte somit immer auch Theorie des Subjekts sein. Adornos Philosophie steht in dieser modernen Tradition, da auch für sie der Subjektbegriff zentral ist. Aber seine Theorie des Subjekts ist eine kritische. Das Subjekt, das er untersucht, ist nicht primär das der Weltkonstitution, sondern das des Leidens an den blinden gesellschaftlichen Mechanismen, denen es unterworfen ist. Obwohl von Individuen gemacht, wirft sich die Gesellschaft, deren Prinzip die Verwertung des Werts und nicht die Befriedigung der Bedürfnisse der Individuen ist, selber wiederum zu einem Subjekt auf, dessen Zwang die Subjekte verinnerlichen, statt ihn abzuschaffen. Indem Jan Weyand sich auf Adornos kritische Theorie des Subjekts konzentriert, bringt er die schon seit langem kontrovers diskutierte Frage nach dem Maßstab der Kritik in der kritischen Theorie einer Beantwortung näher.

Jan Weyand, Jahrgang 1966, studierte Soziologie. Er ist Lehrbeauftragter im Fach Philosophie an der PH Flensburg.

Voraussetzungen eines kritischen Subjektbegriffs


Das erste Kapitel untersucht dreiVoraussetzungen des kritischen Subjektbegriffs bei Adorno. Den Ausgangspunkt der Bestimmung des Subjektbegriffs durch Adorno bildet das Resultat der idealistischen Philosophie. Aus der Kritik am ursprungsphilosophischen Subjektbegriff Hegels entwickelt Adorno den »Vorrang des Objekts« und die Beziehung des Subjektbegriffs auf individuelle Subjekte. Die nominalistische Konsequenz, der diese Überlegung zu verfallen droht, wird durch eine Äquivokation im Subjektbegriff vermieden. Die Äquivokation besteht darin, daß der Begriff des Subjekts sowohl auf das Individuum wie auf ein überindividuelles, allgemeines Subjekt der Erkenntnis bezogen ist. Zumindest die eine Seite der Äquivokation, das Individuum, ist endlich und auf Selbsterhaltung verwiesen. Subjekt der Selbsterhaltung ist die Gesellschaft. Das ist die dritte Bedeutung, in der der Subjektbegriff bei Adorno verwendet wird. Die gesellschaftstheoretische Reflexion des idealistischen Subjektbegriffs führt schließlich zu einem negativ bestimmten Begriff von Subjekt. Das individuelle Subjekt ist wesentlich bestimmt durch heteronome gesellschaftliche Zwänge. Inhaltlich werden diese Zwänge im zweiten und dritten Kapitel entwickelt. Hier werden sie nur benannt, um den Fortgang der Argumentation zu gewährleisten (1.1).

Ein kritischer Subjektbegriff ist nur zu formulieren, wenn die Zwänge, denen die Subjekte unterworfen sind, als Zwänge bestimmt werden können, die gesellschaftlich nicht notwendig sind. Die Bestimmung solcher Zwänge setzt den Begriff eines gesellschaftlichen Zustands voraus, in dem die Individuen nicht durch diese Zwänge bestimmt sind. Dieser gesellschaftliche Zustand trägt bei Adorno den Titel Versöhnung. Er bildet den Maßstab der Kritik. Insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern der »kommunikationstheoretischen Wende der Kritischen Theorie« ist bestritten worden, daß Adorno ihn begründen könne. Deshalb ist zu untersuchen, ob der Maßstab der Kritik zu begründen ist. Dazu ist die »Urgeschichte des Subjekts« zu interpretieren. Sie erklärt bei Adorno den Fortschritt in der Distanz zur Natur. Dieser Fortschritt ist eine Gestalt der Freiheit – es wird mehr produziert, als zu einfacher Reproduktion notwendig ist. Die Interpretation zeigt, daß sich bei Adorno zwei einander widersprechende Erklärungen dafür finden. Sie strukturieren seine Schriften seit derDialektik der Aufklärung. Einer dieser Argumentationsstränge begründet das materielle Substrat des Maßstabs der Kritik als durch Herrschaft erzwungene Produktion von Mehrprodukt (1.2).

Der Begriff der Versöhnung ist nicht nur auf ein materielles Substrat, das Mehrprodukt, bezogen. Er ist moralphilosophisch begründet. Im Zustand der Versöhnung wären die Gesellschaftsmitglieder nicht ein Mittel zur Produktion von Mehrprodukt. Umgekehrt: Der Zweck der ökonomischen Reproduktion bestünde in der individuellen Reproduktion der Gesellschaftsmitglieder (1.3).

1.1 Gesellschaftstheoretische Reflexion der Philosophie


1.1.1 Ausgang vom Idealismus


Die Reflexion des Verhältnisses von Subjekt39 und Objekt in der Erkenntnistheorie hat gezeigt, daß sich das Objekt nur vermittelt durch das Subjekt erkennen läßt. Nach Kant ist es das Subjekt selbst, das