»Es tut mir sehr leid, Sie als Studenten zu verlieren«, sagte Professor Marquard, »aber ich danke Ihnen, dass Sie noch einmal vorbeigekommen sind, um es mir zu sagen. Sie wissen, ich halte große Stücke auf Sie.«
Fabian Korff nickte verlegen. »Ja«, sagte er leise, während sein Blick dem des Professors auswich. »Und ich weiß das auch zu schätzen. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte ich wahrscheinlich schon früher aufgehört. Es ist auch gar nicht so, dass mich Jura nicht interessiert, aber …«
»Aber«, sagte der Professor, als Fabian nicht weitersprach, »es gibt andere Fächer, die Sie mehr interessieren. Darf ich fragen, welche das sind? Und was Sie jetzt vorhaben?«
»Es gab immer nur zwei mögliche Berufe für mich, eigentlich«, erwiderte Fabian nach einer längeren Pause. »Gärtner oder Komponist.«
»Wie bitte? Gärtner?«, rief Julius Marquard.
Er konnte es nicht fassen. Einer seiner besten Studenten, dem er eine glänzende Karriere als Anwalt oder Richter zutraute, träumte davon, Gärtner zu werden?
»Ja«, antwortete Fabian schlicht. »Ich bin gut als Gärtner. Meine Eltern … also, meine Eltern sind ja ziemlich vermögend.« Er lächelte wieder, dieses verlegene Lächeln, das ihn so sympathisch machte. Ja, Julius Marquard wusste, dass die Korffs vermögend waren. Das wussten in Hamburg fast alle, schließlich gehörte ihnen eines der größten Handelsunternehmen der Stadt, überall am Hafen war der charakteristische Schriftzug zu lesen. Die Firma Korff hatte sich auf den Handel mit Tee, Kaffee und Gewürzen aus aller Welt spezialisiert.
»Also, wir haben einige Gärtner«, fuhr Fabian fort, »mit zweien von ihnen habe ich mich schon als Kind gut verstanden. Und weil ich mit Erwachsenen besser auskam als mit Kindern, war ich oft bei ihnen. Sie haben mir viel beigebracht – und ich habe festgestellt, dass mir die Arbeit im Garten nicht nur gut gefällt, sondern dass ich dafür auch begabt bin. Das haben meine beiden Lehrmeister auch gesagt. Aber trotzdem ist das nicht meine erste Wahl.«
»Ach ja, Komponist«, sagte Julius Marquard. Ihm war bewusst, dass seiner Stimme anzuhören war, was er dachte. Vorsichtig fragte er: »Kann man davon leben?«
»Genau das haben mich meine Eltern auch gefragt, als ich ihnen von meinem Wunsch erzählt habe. Sie denken immer, ich kann nur so leben, wie ich bislang gelebt habe: mit Geld im Überfluss. Aber ich brauche das gar nicht, nur glauben sie mir das nicht. Also gehe ich jetzt weg aus Hamburg, nach München, an die Hochschule für Musik und Theater. Die haben mich angenommen am Institut für Neue Musik, Komposition und Dirigieren.«
Julius Marquard betrachtete den jungen Mann nachdenklich. Er hatte ihn bislang immer nur als begabten zukünftigen Juristen gesehen, nun musste er feststellen, dass er nicht einmal eine Ahnung gehabt hatte, was den Menschen Fabian Korff tatsächlich ausmachte. Hinter der angenehmen Fassade – dunkle Haare, kluge dunkle Augen, ein schmales, sympathisches Gesicht mit überraschend energischem Mund – hatte er bislang vor allem einen scharfen Verstand ausgemacht, der imstande war, juristische Probleme schnell zu erfassen, doch nun erwies sich, dass in diesem schmalen Kopf noch viel mehr zu Hause war: künstlerische Begabung, Fantasie, Träume von einem Leben, das mehr bereithielt als umfassende Gesetzeskenntnisse und die Fähigkeit zu ausgiebigem Aktenstudium.
Fabian Korff wollte Künstler werden. Solche Studenten hatte Julius Marquard bislang noch nicht viele gehabt. Oder, genauer: Ihm war noch kein einziger untergekommen.
»Meine Eltern werden mich nicht weiter unterstützen, sie sind schrecklich enttäuscht von mir.«
»Und wovon werden Sie leben?«
Zum ersten Mal, seit Fabian Korff das Büro seines Professors betreten hatte, lächelte er,