: Miriam Georg
: Elbstürme
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644006942
: Eine hanseatische Familiensaga
: 1
: CHF 10.00
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 656
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Stürme eines Neubeginns Drei Jahre lang lebte Lily Karsten in Liverpool, wo sie fernab der Hamburger Gesellschaft ihre Tochter Hanna zur Welt brachte. Jeden Tag sehnte sie sich nach Jo. Drei Jahre lang stürzte Jo Bolten sich aus Wut und Kummer in den Arbeitskampf. Und in den Alkohol. Er will sich rächen für das, was sein Boss ihm angetan hat - Ludwig Oolkert, der mächtigste Kaufmann Hamburgs, hat ihm das Liebste in seinem Leben genommen. Lily. Jetzt wird er Oolkert das Liebste nehmen: sein Geld. Endlich kehrt die Reederstochter Lily an Henry von Cappelns Seite nach Hamburg zurück. Doch ihre Ehe ist wie ein Gefängnis. Die Karsten-Reederei droht immer mehr in Ludwig Oolkerts Kontrolle abzugleiten. In den Gängevierteln brodelt es, die Hafenarbeiter können ihr Elend nicht länger ertragen. Lilys alter Widerspruchsgeist ist nicht zu ersticken. Und obwohl sie nichts mehr fürchtet als ein Wiedersehen, hofft sie doch, dass Jo eines Tages seine Tochter kennenlernen wird ... Eine bewegte Zeit. Eine unmögliche Liebe. Eine bewegende Saga. Das Ende des großen Zweiteilers.

MIRIAM GEORG, geboren 1987, ist die Autorin des Zweiteilers «Elbleuchten» und «Elbstürme». Beide Bände der hanseatischen Familiensaga wurden von Leserinnen und Lesern gefeiert, sie schafften auf Anhieb den Einstieg auf die Bestsellerliste und wurden zum Überraschungserfolg des Jahres. Die Autorin hat einen Studienabschluss in Europäischer Literatur sowie einen Master mit dem Schwerpunkt Native American Literature. Wenn sie nicht gerade reist, lebt sie mit ihrer gehörlosen kleinen Hündin Rosali und ihrer Büchersammlung in Berlin-Neukölln.

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Lily von Cappeln schob den Schleier ihres Hutes beiseite und blickte dem Schiff nach, das sich langsam seinen Weg aufs offene Meer hinaus bahnte. Der Bug brachte das Wasser des Hafens zum Schäumen, die blau-weiße Kontorflagge der Karsten-Reederei flatterte im Wind. Weit vorne an der Reling stand eine junge Frau in einem grünen Kleid. Die anderen Passagiere winkten und riefen, waren dem Hafen zugewandt, den Menschen, die zurückblieben. Die Frau aber blickte starr nach vorne auf das dunkle Wasser, einen entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht, als gäbe es nur sie und den zu bezwingenden Ozean.

Lily konnte die Augen nicht von ihr lösen. Es war, als betrachtete sie ein Traumbild.Ich sollte dort stehen, dachte sie und spürte, wie ein altbekannter Schmerz sie durchströmte. In letzter Zeit war es schwerer geworden, ihn in Worte zu fassen. Er veränderte sich, verlor die scharfen Kanten, war weniger brennend als am Anfang. Aber immer noch nahm er ihr in seiner Heftigkeit den Atem.

Er hatte verschiedene Gesichter, der Schmerz. Meistens das kleine weiße ihres Bruders Michel. Manchmal schoben sich aber auch die warmen und sorgenvollen Augen ihrer Mutter Sylta dazwischen. Oder Lily hatte plötzlich den Duft von alten Büchern in der Nase und sah ihren Vater vor sich. Immer aber war da diese eine Stimme. Dieser eine Geruch. Dieser eine Mensch, der alles überlagerte. Den sie einfach nicht vergessen konnte.

Egal, wie sehr sie es auch versuchte.

 

Um sie herum herrschte rege Geschäftigkeit. Riesige Dampfpumpwerke verrichteten am Kai ihre Arbeit, Taue wurden eingezogen, die Gangway zurück an ihren Platz geschoben. Menschen riefen durcheinander, einige weinten, andere winkten immer noch. Lily winkte nicht. Es gab auf diesem Schiff niemanden, den sie kannte – wie auf allen anderen, die in den letzten drei Jahren den Hafen von Liverpool verlassen hatten. Trotzdem stand sie beinahe jede Woche am Kai und sah beim Ablegen zu.

Dies war das erste Schiff der Karsten-Reederei, das seit ihrer Flucht nach England hier zu Wasser gelassen wurde. Es würde für die neue Kalkutta-Linie fahren, der ganze Stolz ihrer Familie. Indien, dachte Lily und hatte plötzlich die Stimme ihres Bruders im Ohr: «Es ist so heiß, dass du nicht richtig denken kannst. In den Mangrovensümpfen wimmelt es vo