: Washington Irving
: Sagen von der Alhambra Erzählungen aus der Alhambra
: e-artnow
: 9788026819202
: 1
: CHF 1.60
:
: Regional- und Ländergeschichte
: German
: 60
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieses eBook: 'Sagen von der Alhambra' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Diese Erzählsammlung ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, in der der Autor seine Reise durch Spanien nach Andalusien beschreibt und eine allgemeine Schilderung von Land und Leuten gibt. Der Hauptteil des Buches besteht aus rund 30 Erzählungen rund um die Alhambra, die Stadtburg der letzten maurischen Herrscher in Al-Andalus. Die Erzählungen spielen zum kleineren Teil noch zur Zeit der Nasridenherrscher, zum größeren Teil aber in nach-maurischer Zeit, in der die Alhambra als Besitz der spanischen Könige von christlichen Statthaltern verwaltet wurde und zunehmend dem Verfall preisgegeben war. Washington Irving (1783-1859) war ein amerikanischer Schriftsteller. Mit seinem 'Skizzenbuch', Erzählungen Rip Van Winkle und Die Sage von der schläfrigen Schlucht begründete Irving die Gattung der Kurzgeschichte. In späteren Jahren verfasste Irving vor allem Biografien, unter anderem über Christoph Kolumbus und George Washington.

Das Innere der Alhambra.


Die Alhambra ist so oft und so genau von Reisenden beschrieben worden, daß eine bloße Skizze wahrscheinlich hinreichen wird, dem Leser das Ganze in das Gedächtniß zurückzurufen; ich will daher eine kurze Nachricht von dem Besuche geben, den wir am Morgen nach unserer Ankunft zu Granada dort abgestattet haben.

Indem wir unsere Posada»La Espanda« verließen, schritten wirüber den berühmten Platz von Vivarrambla, einst die Scene maurischer Tourniere und Kampfspiele, jetzt ein besuchter Marktplatz. Von da kamen wir in das Zacatin, die Hauptstraße dessen, was zu der maurischen Zeit der Bazaar war, wo die kleinen Läden und engen Gäßchen noch den orientalischen Charakter bewahren. Nun gingen wirüber einen offenen Platz vor dem Hause des Oberbefehlshabers, und stiegen eine enge, gewundene Straße hinauf, deren Name uns an die ritterlichen Tage von Granada erinnerte. Man heißt sie»Calle,« oder Straße der Gomeres, von einer in der Geschichte und in Gesängen berühmten maurischen Familie. Diese Straße führte zu einem massiven Thorweg, der, in griechischem Styl, von Karl V. erbaut, den Eingang zu den Bezirken der Alhambra bildet.

Am Thore schliefen auf einer steinernen Bank zwei zerlumpte, abgelebte Soldaten, die Nachfolger Zegris und der Abencerragen, während ein langer, hagerer Bursche, dessen rost-brauner Mantel augenscheinlich dazu diente, den zerlumpten Zustand der Unterkleidung zu bedecken, im Sonnenschein sich gütlich that und mit einer alten Schildwache im Dienst plauderte. Er kam, als wir in das Thor traten, zu uns und erbot sich, uns das Schloß zu zeigen.

Ich theile das Mißfallen der Reisenden an dienstfertige Ciceroni und fand auch an dem Kleid des Erbötigen keinen Gefallen.

»Ich hoffe, Ihr seyd mit dem Orte gut bekannt?«

»Ninguno mas; pues Sennor, soy hijo de la Alhambra.«(Niemand besser, denn, Herr ich bin ein Sohn der Alhambra.)

Der gemeine Spanier hat gewiß eine sehr poetische Art sich auszudrücken.»Ein Sohn der Alhambra!« Der Name gewann mich alsbald; selbst das zerrissene Gewand meines neuen Bekannten erhielt eine gewisse Würde in meinen Augen. Es war ein Sinnbild der Schicksale des Ortes und paßte zu der Nachkommenschaft einer Ruine.

Ich stellte ihm einige fernere Fragen und fand seine Ansprüche gesetzmäßig. Seine Familie hatte von Geschlecht zu Geschlecht seit der Zeit der Eroberung in der Veste gelebt. Sein Name war Mateo Ximenes.»Dann seyd Ihr vielleicht,« sagte ich,»ein Nachkomme des großen Kardinals Ximenes?«–»Dios sabe!das weiß Gott, Sennor. Es kann seyn. Wir sind dieälteste Familie in der Alhambra,–Christianos viejos,alte Christen, ohne einen Mackel von Mauren oder Juden. Ich weiß, daß wir irgend einer großen Familie angehören, aber ich vergaß, welcher. Mein Vater kennt das alles genau: denn er hat das Wappenschild in der Hütte, droben in der Veste, aufgehängt.« Es gibt keinen noch so armen Spanier, der nicht einige Ansprüche auf eine hohe Abstammung hätte. Die erste Bezeichnung dieses zerlumpten Herrn hatte mich jedoch vollkommen gewonnen, so daß ich die Dienste des»Sohnes der Alhambra« gern annahm.

Wir kamen jetzt in eine tiefe, enge Schlucht, mit schönem Gebüsch angefüllt, und zu einem steilen Aufweg, und vielen Fußpfaden, die sich durch denselben wanden, mit steinernen Sitzen zur Seite und mit Brunnen verziert. Zu unserer Linken sahen wir die Thürme der Alhambraüber uns emporragen; zur Rechten, auf der entgegengesetzten Seite der Schlucht,überragten uns gleichfalls zwei aufstrebende Thürme auf der felsigen Höhe. Wir hörten, dies seyen die Torres vermejos, oder die rothen Thürme, wegen ihrer Farbe so genannt. Man kennt ihren Ursprung nicht. Sie sind vielälter als die Alhambra: einige glauben, sie seyen von den Römern erbaut worden, andere, von einer wandernden Kolonie der Phönizier. Indem wir den steilen und schattigen Aufgang hinaufstiegen, kamen wir an den Fuß eines großen, viereckigen maurischen Thurms, der eine Art von Warte bildete, durch die der Haupteingang in die Veste führte. In der Warte war eine zweite Gruppe alter Invaliden, deren einer am Portal Wache stand, während die andern, in ihre zerfetzten Mäntel gehüllt, auf den steinernen Bänken schliefen. Dieses Portal heißt man das Thor der Gerechtigkeit, von dem Gerichte, welches während der mohamedanischen Herrschaft zum unmittelbaren Richterspruchüber kleine Streitsachen in dem bedeckten Gang desselben gehalten wurde, eine Sitte, welche der orientalischen Nation gemein ist und auf die in der heiligen Schrift gelegentlich angespielt wird.

Die große Vorhalle, oder den Thorgang bildet ein unermeßlicher arabischer Bogen, in Form eines Hufeisens zur halben Höhe des Thurmes emporspringend. Auf dem Schluß