1. KAPITEL
Marleigh
»Ja, Mom, ich schlafe jeden Tag acht Stunden.«
Ich stieß mich mit den Füßen vom Boden ab und drehte mich in meinem Schreibtischstuhl langsam im Kreis. Die Sterne an meiner Decke leuchteten im Halbdunkel meines Zimmers schwach und bildeten eine Galaxie über meinem Kopf.
»Und du isst auch genug, ja? Oder muss ich erst zu dir hochgefahren kommen und mich drei Tage lang mit dir durch die Lieferservices essen?«, wollte Mom von mir wissen.
»Ich esse genug für drei Leute«, antwortete ich. »Und vielleicht solltest du noch mal überdenken, wie du mich zu einem gesünderen Lebensstil überreden willst. Ich bezweifle, dass Essen vom Lieferservice dafür ein guter Anfangspunkt ist.«
Mom wirkte von dieser Information kein bisschen abgeschreckt. »Wir sterben so oder so irgendwann alle. Warum sollte ich mir die begrenzten Tage, die ich auf diesem Planeten mit so viel leckerem Essen habe, eine Diät aufzwingen? Das kannst du mir gern intravenös einführen, wenn ich nicht mehr kauen kann, aber bis dahin bestehe ich auf meine freitägliche Pizza.«
Ich schnaubte. »Wow. Und die Leute fragen sich, warum aus mir so ein merkwürdiger Mensch geworden ist.«
Der Themenwechsel schien Mom wie gerufen zu kommen. Sie schnappte ohne zu zögern danach. »Welche Leute denn? Deine Freunde? Weißt du, dass du mich ganz schön hängen lässt? Ich möchte meine Jugendzeit noch einmal durch dich ausleben und du gibst mir nur kleine Bruchstücke vom aufregenden Universitätsleben.«
Ich lachte gezwungen, als sie die Universität erwähnte. Weil ich wusste, dass jede andere Reaktion sie argwöhnisch machen würde. Es war verhaltener, als ich es normalerweise in der Gegenwart von Mom tat – aber das bekam sie zumindest nicht mit. »Möchtest du, dass ich mich dafür entschuldige, dir nicht jeden Tag einen Herzinfarkt zu bereiten, weil ich dir davon erzähle, welche neue Droge ich ausprobiert habe?«
»Nein«, sagte Mom sofort. »Du bist doch gerade erst ausgezogen.«
»Vor fast zwei Jahren.«
»Du bist noch viel zu jung für Drogen.«
»Ich bin letzten Monat achtzehn geworden.«
»Wie bitte?«, rief sie, als hätte es sie wirklich überrascht.
Der riesige Karton, in den sie alle möglichen großen und kleinen Geschenke getan hatte, stand immer noch neben meinem Schreibtisch und strafte sie Lügen.
»Ich kann nicht glauben, dass du schon zwei Jahre an der Universität bist«, fuhr sie kurz darauf fort. »Meine Überfliegerin.«
»Mir kommt es auch noch nicht so lange vor«, sagte ich. Wobei es nicht die ganze Wahrheit war. Manchmal fühlte es sich wie ein halbes Leben an. Als wäre es eine andere Marleigh gewesen, die mit noch nicht ganz sechzehn die Highschool abgeschlossen und für ein Studium nach Winnipeg gezogen war.
»Wie auch immer. Gib mir wenigstens noch ein Jahr zur Vorbereitung, bevor du dich an Drogen wagst, okay?« Der leichte Ton verschwand aus Moms Stimme und sie nahm einen sanfteren Klang an. »Du musst auf keine Partys gehen, das weißt du. Solange du glücklich bist, kannst du dir auch die Haare in allen Farben des Regenbogen