2. Kapitel
Die Gesichter der Studenten begannen vor seinen Augen zu verschwimmen. Ethan legte die letzte Folie auf, blinzelte, doch seine Sicht wurde nur klar genug, um die Überschrift entziffern zu können.
Es wurde Zeit, dass der Tag zu Ende ging. Er hatte ihn vor allem mit Examensseminaren und dem Korrigieren von Klausuren verbracht. Die Vorlesung über Unternehmensethik war der krönende Abschluss eines endlosen Donnerstags.
Nachdem er die wichtigsten Quellen genannt und wie immer darauf hingewiesen hatte, sich tiefer in die Themen einzulesen, entließ er seine Zuhörer.
Ihn fröstelte vor Müdigkeit.
Morgen stand ihm ein ähnlicher Marathon bevor. Danach begannen die Ferien. Zwei Wochen davon gehörten ihm allein. Strukturlose Zeit, ohne dass Jessica von ihm forderte, ein Teil ihres Alltags zu sein. Sie wollte den Mann zurück, der sich problemlos in ihre Abläufe integrieren ließ. Der sie fickte, wenn ihr danach war. Der lächelte und sagte, alles wäre in Ordnung, denn nur so konnte sie ihr gewohntes Leben weiterführen. Es galt ihrem Job, definierte sich über Anerkennung und Erfolg. Seit ihr Vater gestorben war, noch mehr als sonst. Als würde sie ihm täglich beweisen wollen, wie tough sie war.
Kenneth Walsh.
Ethan hatte seinen Schwiegervater kaum zu Gesicht bekommen.
Wenige Wochen nach dessen Tod hatte Gregory ihn verführt. All die Male danach war das nicht mehr nötig gewesen. Er hatte sich ihm freiwillig angeboten.
Ethan nickte bekannten Gesichtern zu, wechselte im Vorbeigehen ein paar Worte mit Kollegen und Studenten. Draußen empfing ihn eine Abendsonne, deren Licht die Mauern der Gebäude leuchten und aus der Zeit driften ließ. Er blieb einen Moment stehen, genoss die Wärme auf seinen Wangen.
»Erliegst du der Magie des Augenblicks?« Edgar trat neben ihn. »Oder traust du dich nicht nach Hause?« In den freundlichen Augen glomm Spott.
Edgar hielt nicht viel von Jess. Er sagte es nie offen, dafür war er zu höflich, aber seine Andeutungen genügten.
»Jess ist für ein paar Tage in Plymouth.« Das Grinsen seines Freundes ließ ihn lächeln. »Ich erwähne das nur, falls du Lust haben solltest, mich auf ein Bier einzuladen.«
»Und ob ich das habe.« Edgar zog sein Handy hervor, tippte eine Nachricht. »Ich grüße Emmi von dir. Das stimmt sie milde. Zwar gibt sie es nicht zu, aber sie steht auf dich.«
»Sie ist bezaubernd. Würdest du ihr das ebenfalls hin und wieder sagen, würde sie auch auf dich stehen.«
»Ich weiß«, murmelte Edgar und steckte das Handy zurück. »Aber ich kann’s nicht so charmant wie du.« Er nahm Ethan am Arm, dirigierte ihn über den Campus. »Na los, lass uns die Nacht nutzen.«
Das würde er sicherlich, doch nicht auf die Weise, die Edgar vorschwebte. Der Besuch im Pub überbrückte lediglich die Zeit, bis er einen Ort aufsuchte, der in der Wahrnehmung seines Freundes nicht existierte.
»Du solltest die Ferien nutzen, um dich gründlich zu erholen.« In Edgars Seitenblick lag die Art Sorge, mit der Ethan im Moment nicht umgehen konnte. »Ich weiß, dass du viel arbeitest und nebenbei noch an deinen Veröffentlichungen schreibst, aber so langsam sieht man es dir an. Du musst mal wieder ausgiebig schlafen.«
Guter Witz.
Edgar blieb stehen. »Du weißt, dass du mir vertrauen kannst.«
Im Moment vertraute er sich selbst nicht. Das war einer der Gründe für seine Schlaflosigkeit.
»Jess und ich lassen uns scheiden.« Es war bei Weitem nicht sein Hauptproblem, aber Edgar konnte es nachvollziehen und es würde guttun, mit ihm darüber zu reden.
Seinem Freund