: Sofia Caspari
: Die Lagune der Flamingos Roman
: beHEARTBEAT
: 9783751721769
: ARGENTINIEN-SAGA
: 1
: CHF 5.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 608
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Argentinien, 1876: Die jung verwitwete Annelie Wienand ist mit ihrer Tochter Mina aus Frankfurt am Main eingewandert, um ein zweites Mal zu heiraten. Doch ihre Ehe ist eine bittere Enttäuschung. Für die vierzehnjährige Mina sind einzig die Treffen mit dem Nachbarssohn Frank Lichtblicke in ihrem rauen Familienalltag. Doch eines Tages geschieht etwas Schreckliches, und Frank muss fliehen ...

»Ein intensives Leseerlebnis, das in eine völlig fremde Welt eintauchen lässt, ein großes Stück Geschichte vermittelt und sowohl vom Plot als auch von der Sprache her überzeugt.«HISTO-COUCH.DE< b>

Mit ihrer fesselnden Auswandersaga entführt Sofia Caspari die Leserinnen und Leser in das Argentinien des 19. Jahrhunderts - in die Welt von Arm und Reich, Ehrbahren und Verruchten, Hassenden und Liebenden.

Band 1: Im Land des Korallenbaums
Band 2: Die Lagune der Flamingos
Band 3: Das Lied des Wasserfalls

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




<p>Sofia Caspari, geboren 1972, hat schon mehrere Reisen nach Mittel- und Südamerika unternommen. Dort lebt auch ein Teil ihrer Verwandtschaft. Längere Zeit verbrachte sie in Argentinien, einem Land, dessen Menschen, Landschaften und Geschichte sie tief beeindruckt haben. Heute lebt sie - nach Stationen in Irland und Frankreich - mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen in einem Dorf im Nahetal.<br></p>

Erstes Kapitel


Stocksteif stand Mina in ihrem Versteck. Durch den schmalen Spalt, den die Tür ihr ließ, konnte sie genauestens beobachten, was in der Küche vor sich ging. Der Fünfzehnjährigen stockte der Atem. Philipp, ihr Stiefbruder, war eben von draußen hereingekommen. Gerade noch rechtzeitig hatte sie ihn bemerkt. Im letzten Moment war sie in die kleine Vorratskammer geschlüpft. Die Blutspritzer auf seinem Gesicht und sein blutbeflecktes Hemd hinterließen ein flaues Gefühl in ihrem Magen. Gespenstisch beleuchtete die Öllampe auf dem Tisch Philipps gleichfalls blutverschmierte Finger. Kurz betrachtete er sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, dann griff er nach seinem Rock, der über einer Stuhllehne hing, und zog eine goldene Uhr aus der Tasche. Er lächelte breit, während die Uhr an der Kette sanft hin- und herpendelte. Entschlossen steckte er sie wieder weg und entblößte seinen breiten, muskulösen Oberkörper, indem er sein Hemd auszog. Das Lächeln auf seinem Gesicht verlor sich nicht, als er nun an den Eimer mit Frischwasser herantrat und prustend begann, sich Gesicht und Hände zu waschen. Mina sah, dass sich das getrocknete Blut löste und ihm, mit dem Wasser vermischt, in rötlichen Schlieren über Gesicht, Handrücken und Arme lief, bevor es auf den Boden tropfte. Mit Mühe unterdrückte das junge Mädchen einen Anflug von Übelkeit.

Hoffentlich entdeckt er mich nicht, fuhr es heiß durch sie hindurch, hoffentlich entdeckt er mich nicht.

Sicherlich hatte der Stiefbruder wieder einmal einen Unschuldigen verprügelt, jemanden, der neu in der Gegend war und keine Verbündeten hatte. Jemanden, dem deshalb niemand helfen würde. Mit Philipp Amborn oder seinem Vater Xaver legte sich niemand an.

»Mein Philipp«, so pflegte Xaver Amborn zu sagen, »hat einen kurzen Zündfaden. Jeder weiß das und beherzigt den Rat, ihn besser nicht zu reizen. So ist er eben, aber im Kern ist er ein guter Junge … Das war er immer. Mir war er stets treu.«

Die Hand auf den Mund gepresst unterdrückte Mina ein Stöhnen.

Er darf mich nicht sehen, bitte, lieber Gott, er darf mich nicht sehen.

Es war nicht das erste Mal, dass sie Philipp so nach Hause kommen sah. Neu war allerdings, dass er dieses Mal eine goldene Uhr in seinem Rock versteckt hielt. Heute, dachte Mina, ist er einen Schritt zu weit gegangen. Er hat gestohlen. Würde er ihr glauben, dass sie nichts gesehen hatte, nichts wusste und nichts sagen würde? Er darf mich hier nicht entdecken, schoss es ihr erneut durch den Kopf, er darf mich hier nicht sehen.

Sie wusste ja auch nicht, welcher Laune er war. Manchmal war es gar nicht nötig, ihn zu reizen. Dann schlug der Stiefbruder zu, weil er Spaß daran hatte, weil er gern sah, wenn andere Schmerzen litten. Das hatte sie als Erstes gelernt, kurz nachdem ihre Mutter Annelie und sie vor nunmehr fünf Jahren nach Esperanza gekommen waren. Philipps Äußeres, das dunkle kräftige Haar, das markante Gesicht, sein einnehmendes Lachen, die funkelnden Augen und der muskulöse Körper, täuschte nur zu leicht darüber hinweg, welcher Teufel in seinem Inneren schlummerte.

Der Stiefbruder betrachtete jetzt erneut seine Hände, schaute dann an sich hinunter. Offenbar schien er zufrieden mit dem, was er sah, denn im nächsten Moment griff er nach einem Tuch und rieb sich Gesicht und Oberkörper trocken. Dann überprüfte er sein Hemd, warf es endlich mit einem Seufzer zur Seite. Ganz offenbar war das Blut nicht das des Stiefbruders. Philipp war nicht verletzt, so viel konnte Mina aus ihrem Versteck erkennen.

Ein plötzliches Knarren ließ das junge Mädchen zusammenzucken. Die Haustür wurde aufgestoßen, und der Stiefvater trat ein. Er schien überrascht, seinen Soh