: Heinz Zschech
: Ostexpress in den Westen
: novum premium Verlag
: 9783991300380
: 1
: CHF 24.60
:
: Erzählende Literatur
: German
: 708
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Jahr 1968 hat nach wie vor eine magische Ausstrahlungskraft. Meist werden damit allerdings nur die Studentenunruhen im Westen gemeint. Aber auch im damaligen Ostblock passierten weitreichende gesellschaftliche Veränderungen, wie vor allem in der Tschechoslowakei. Ähnlich waren in Russland die Bevölkerung und auch hier die Studenten sehr politisiert. Mitten in diese Welt kommt der DDR-Bürger Martin Sarodnick, der in Moskau Film studieren will. Er gerät in eine faszinierende Untergrund-Bewegung aus vielen jungen Leuten mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Eigentlich will er dort bleiben, aber schließlich erregt er bei einem Filmfestival einen Skandal. Danach beginnt eine abenteuerliche Odyssee durch den Ostblock mit vielen skurrilen und erotischen Episoden.

VON KOPF BIS FUSS

1

Sie hat lange Pechhaare bis zur winzigen Taille, und die Taille ist gleich einem Ring am Gelenk, die sich wiegt wie in einer Muschel am Flusse, leise sich öffnend zum Kiesel – ein südrussischer Stein mit den Mongoloiden von drei Jahrhunderten Joch. Und jochbeinbreit reißt es im Gemüte gleich einem entfesselnden Tiere in der unendlichen Steppe, dass man reinbeißen muss in die Zähne, in die lockenden Milchstreifen am Himmel, in die Milch ihrer Haut. Zum Springen weit dagegen leuchten die Lippen wie die Wildkirschen zur Reife im Fallen, und zum Versinken im Weich sprühen die Augen, diesem Grün der Zeitlose morgens im Tau. Träumt sie noch den Kindschlaf der Jahre?

„Wladimir?“ – Schwebe hält das Gesicht, und wenn es lacht, ist ein leichtes Grübchen darin. „Wladimir.“ – Die Zunge macht einen kleinen Satz auf der zweiten Silbe, und die Lippen verschließen nicht mehr vollständig. Wolodja ist verwirrt, ordnet sein Hemd und steht wie ein gefeierter Jüngling neben dem Bett, mit der Hand die Geste entschuldigend: „Ich bin Wladimir“, und er verheddert sich vor dem Mädchen, das so urplötzlich da steht im Raum. Gleich Samwel, der stetig weiß, was zu tun, oder nie weiß, was wirklich die Sache, und der jetzt durchgedreht, unsicher, kopfscheu gemacht, in ihren Mund starrt und sich verschluckt in der sinnlichen Form. – Das Mädchen stellt ein großes Glas, Papierbogen bedeckt und mit einem gelben Gummi verschlossen, auf den Tisch nahe am Bett: „Von Ihrer Mutter. Ich habe sie auf dem Bahnhof getroffen.“

„Das ist aus dem Garten … Honig. Setzen Sie sich! Ein Wunder! Woher? Und Ihr Name?“

„Larissa“, setzt sie sich fest in den schwingenden Vokalen und lässt die Tür hinter sich angelehnt wie zur Flucht. Aber Samwel – sperrig, ein Wille: „Die oder keine!“ – blockiert ihr den Weg. Er hat seinen Rhythmus gefunden, den Taktstock, den Einsatz:

„Meine Fresse! Das ist nicht zu fassen.“

„Sehr schön Larissa, möchten Sie nicht …?“, kommt ihm Wowa zuvor. Doch der Armenier hat schon ihre Schultern berührt und sucht den Körper in seine Worte zu ziehen:

„Ich bin ganz über von dir, fließe schon aus. O meine Schönheit!“ – Federnd stoppt sie ihren Handrücken an seinem Hals und kehrt sich geschickt ab, weg in die Seite, dorthin, wo Martin liegt auf