VORWORT
Die glücklichsten Zeiten meiner Kindheit erlebte ich bei den Eltern meiner Mutter in Luzern. Beide waren Chirurgen und lebten zusammen mit Fräulein Lendi, der Praxishilfe, und Nina, die für den Haushalt zuständig war und auch kochte, in einer großen Wohnung mit eingebundener Arztpraxis. Wann immer die Großeltern nach Zürich kamen, stand ich mit meinem Köfferchen parat, um mit ihnen wegzufahren. Bei ihnen fühlte ich mich wohl und für voll genommen. Ich war ihr Sonnenschein und erhellte ihren arbeitsreichen Tag. Mein Opa war am Morgen immer in der Klinik und operierte, Omi war in der Praxis. Dort durfte ich mithelfen: In einer weißen Schwesternschürze mit einem kleinen roten Kreuz darauf öffnete ich die Tür und führte die Patienten ins Wartezimmer. Wenn Röntgenbilder gemacht werden mussten, hielt ich die Arme oder Beine des Patienten fest und half Fräulein Lendi, die Bilder in einem verdunkelten, umgerüsteten Badezimmer nach dem Entwickeln zum Trocknen an eine Leine zu hängen. Am Nachmittag nahm mich Omi zum Einkaufen oder zum Hundespaziergang am See mit,und vor dem Nachtessen füllte ich goldene oder silberne Blechdosen mit Spezialsalben und half, gewaschene Verbände wieder aufzurollen. Nach dem Essen ging ich mit Fräulein Lendi Zeitungen und Zigaretten für Opa holen.
Meine Omi erzählte mir viel von ihren Reisen und Erlebnissen. Sie war mit 17 Jahren in Bulgarien, wo sie aufgewachsen war, in den Orientexpress gestiegen, um in Frankreich Medizin zu studieren. Diese Offenheit für neue Menschen und Umgebungen, die sie mir „spiegelte“, half mir in meinem weiteren Leben sehr. Doch nicht nur ihr Mut und ihre Abenteuerlust faszinierten mich, sondern auch ihre sensitive und spirituelle Art. Sie legte Karten und wusste im Voraus, wenn mein Bruder oder ich krank wurden. Es war eine ganz spezielle Atmosphäre in Luzern, und ich war rundum glücklich.
Als ich sieben Jahre alt war, endete diese wunderbare Zeit, da ich in die Schule musste. In der ersten Klasse war ich fast immer krank, denn ich hatte Nierenprobleme. Darüber habe ich später viel nachgedacht, und es wurde mir klar, dass ich nicht mehr in Harmonie mit mir selbst war. Jede Nacht wachte ich auf, weil meine Nase verstopft war und ich nicht mehr atmen konnte. Ich setzte mich dann auf und wartete, bis sich die Verstopfung wieder löste. Ich erinnere mich gut daran, dass ich mich jede Nacht fragte:Warumlebe ich? Diese Frage hat mich über Jahre verfolgt, bis ich mit über 40 bereit dazu war, den Antworten auf die Spur zu kommen.
An meine Schulzeit kann ich mich kaum erinnern. Es war eine Zeit ohne große Höhen und Tiefen. Die Eltern und Lehrer sagten vor, was zu tun und zu lassen war, und ich gehorchte.
Kurz vor der Matura brach ich m