: Barbara Frischmuth
: Die Kuh, der Bock, seine Geiß und ihr Liebhaber Tiere im Hausgebrauch
: Aufbau Verlag
: 9783841200495
: 1
: CHF 7.20
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 173
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF

I diesem frischmuthschen Bestiarium verstricken sich Redewendungen und Sprichwörter plötzlich zu absurden Tiergeschichten. Nichts Animalisches ist diesen Tieren und denen, die es sein könnten, fremd - und natürlich auch nichts Allzumenschliches. Barbara Frischmuth lässt sich von der Sinnlichkeit der Sprache verführen, sie nimmt sie beim Wort und geht den Wendungen der Rede nach, dass man unentwegt gleich ihren Tieren im Hausgebrauch die Ohren spitzt, um nicht in Fallen zu tappen oder die Eselsbrücken zu verpassen. Wozu führt das nicht alles: zum dicken Hund, zum Kroko-Deal, zur Busenschlange, zum Katzenjammer, zu Schwanenseen oder dem Otterndilemma. Der Sprachwitz inspiriert zu Charakteren, Situationen und Bekenntnissen, die stets aus Zwiespältigkeiten erwachsen und Mehrdeutigkeiten nicht scheuen. Kurz, hier ist man auf der hohen Schule von Nonsens und Schwarzem Humor, auf der man amüsiert so manches lernt über den Nager in uns, Verwirrungen der Affenliebe und wie eine junge Geiß den Schäfer nach ihrer Pfeife tanzen lässt. 'Es war Freitag und das Krokodil füllte an der nächsten Tankstelle seine Tränensäcke fürs Wochenende auf, um für die emotionalen Herausforderungen [, die ihm zustoßen würden,] gewappnet zu sein.' 'Kein Schwein sein oder ein Schwein sein, diese Entscheidung muss natürlich jedes Schwein für sich selber treffen.' 'Was soll's', sagte die Kuh, die am Herd stand, 'von einem Ochsen kann man nicht mehr verlangen als ein gutes Stück Rindfleisch.'



Barbara Frischmuth, 1941 in Altaussee (Steiermark) geboren, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und ist seitdem freie Schriftstellerin. Seit über 25 Jahren lebt sie wieder in Altaussee.

Nach ihrem von der Kritik hochgelobten Debüt »Die Klosterschule« und dem Roman »Das Verschwinden des Schattens in der Sonne« wurde sie vor allem mit der zauberhaften und verspielten Sternwieser-Trilogie bekannt, der die Demeter-Trilogie folgte. Neben weiteren Romanen wie »Die Schrift des Freundes«, »Der Sommer, in dem Anna verschwunden war«, »Vergiss Ägypten«, »Woher wir kommen« und »Verschüttete Milch« veröffentlichte sie u. a. Erzählungen und Essays. »Der unwiderstehliche Garten« war das vierte ihrer literarischen Gartenbücher.

FROSCHSCHENKEL(S. 61-62)

Geht der Vorhang auf, hüpfen die Frösche auf die Bühne. Ihre Stimmblasen sind gefüllt, und sie pieseln ihre Soli und Chorgesänge ins Publikum, dass im Saal die Ohren feucht werden. So grün ist kein Gras, als dass ihr Gequake es nicht grüner machte. Sie bläuen den Zuhörern den Himmel ein und wässern sie mit Seen und Flüssen, bis den Bibern die Felle davonschwimmen und die Fische sich an der Strömung verschlucken. Der Direktor möchteüber die hohe Kunst der Amphibienoper sprechen, doch bleibt ihm die Stimme weg, und die Frösche verpassen den Einsatz, weil ihr Dirigent sich wieder einmal galvanisieren hat lassen.

Jetzt sitzt er in der Garderobe wie der Frosch auf der Gießkanne, und bis er sich endlich gefasst hat, ist der Kanon längst den Bach runter. Chaos total! Die Bühne vibriert von all den verhaltenen Sprüngen. Die beiden Tenöre sind in den Orchestergraben gefallen, wo die Fliegen in der Annahme, dieselben hätten sich das Genick gebrochen, in den sangesweiten Mäulern summen.»Kann doch keiner was dafür, dass die Frösche keine Schwänze haben«, lamentiert der Intendant.

Notarzt und Rettung sind verständigt. Er bittet die auf der Bühne verbliebenen Bässe und Baritöne, nochmals den Mund aufzumachen, damit das Eintrittsgeld nicht zurückgezahlt werden muss. Plötzlich schwebt vom Schnürboden ein Geflügelter– er war der Frosch im Hals des Direktors– und setzt zu der Rede an, die zu halten dieser nicht imstande war. Aber Hörern und Sehern ist längst das Wasser im Mund zerronnen, es dürstet sie nach Arien, nicht nach trocken gehusteten Wortknäueln, und sie treten diese mit Füßen.

»Das ist die Lage der Nation aus der Froschperspektive«, quaksalbert der Geflügelte, der inzwischen auf dem Bühnenboden gelandet ist. Unter all den Bildungsunken sitzt auch ein Wetterfrosch, dem längst der Geduldsfaden gerissen ist. Weder verfügt erüber ein absolutes Gehör, noch ist er leidenschaftlicher Sangesfan. Eigentlich ist er Opfer der Begleitung, um die ihn eine Dame der Gesellschaft (höchster Krötenadel), die zwei Freikarten geschenkt bekommen hatte, bat.»Sollten wir nicht lieber ins Kaffeehaus gehen, Gnädigste?« Die Gnädige lässt den Operngucker sinken und will sich gerade entrüsten. Da knurrt ihr Magen, und sie kann nicht gut nein sagen.
INHALT6
DIE KUH, DER BOCK, SEINE GEISS UND IHR LIEBHABER8
KATZENJAMMER18
GANZ FUCHS UND GANZ GANS27
DU LIEBER GOCKEL36
DER TRAMPEL44
DICKER HUND53
FROSCHSCHENKEL62
AFFENLIEBE71
DER GEDÄCHTNISTRAINER81
DIE BUSENSCHLANGE91
KEIN SCHWEIN SEIN100
KROKO- DEAL110
DER NAGER IN MIR120
DAS OTTER- DILEMMA128
PFERDEARSCH137
SPINNEN SPINNEN146
SCHWANENSEEN155
TRAUMBÄR – BÄRENTRAUM164