: Hera Lind
: Der Überraschungsmann Roman
: Diana Verlag
: 9783641062132
: 1
: CHF 7.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 368
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Volker ist ein Volltreffer von Ehemann, zu dem sich Barbara immer wieder selbst gratuliert. Und sie hält ihm den Rücken frei, wenn er als beliebter und fürsorglicher Arzt Tag und Nacht im Einsatz ist. Denn auf Barbara ist Verlass, das weiß auch ihre junge Freundin Lisa. Während diese ihrer Karriere nachgeht, hütet Barbara das Kind und versprüht auch noch als Fremdenführerin in Salzburg gute Laune. Bis sie zu ihrer Überraschung feststellt, dass sie das Wort ?Nächstenliebe? anders interpretiert als ihr Mann ...

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Seit einigen Jahren schreibt sie ausschließlich Tatsachenromane, ein Genre, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Mit diesen Romanen erobert sie immer wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrem Mann in Salzburg, wo sie auch gemeinsam Schreibseminare geben.
"23 (S. 258-259)

Barbara! So sei doch vernünftig! Du kannst doch nicht in so eine abgewrackte Bude ziehen! Hier stehen dir doch alle Türen offen!« Endlich war ich so weit, Volker gegenüberzutreten. Ich stand vor jener Einfahrt, hinter der damals wie aus dem Nichts das Fertighaus unserer neuen Nachbarn aufgetaucht war. Damit hatte alles angefangen. Als Volker seinen Kopf verrenkt, hinübergespäht und Lisa erkannt hatte. Wie entsetzt er am Anfang gewesen war! Dann hatte er vermutlich ganz schnell einen Plan B entwickelt.

Den Mietvertrag für die Altstadtwohnung hatte ich bereits vorsorglich unterschrieben und den Möbelwagen, den meine lieben Teilgeberfreunde sponserten, schon in unsere feine Villengegend geschickt. Mit Latzhosen und einer Papiertüte auf dem Kopf stand ich nun vor meinem Noch-Ehemann, die Hände in den Hosentaschen geballt.»Ich BIN vernünftig«, sagte ich so ruhig wie möglich. Das Coaching von Justus und den anderen hatte mich bestens vorbereitet.»Aber das ist doch eine reine Trotzreaktion! Was soll der Scheiß?!«»Das ist kein Scheiß, Volker. Und auch keine Trotzreaktion.

Du hast ein jahrelanges Spiel mit mir gespielt, und ich spiele nicht mehr mit.«»He, Stiefmami, was geht ab?« Hinter mir stand Emil.»Ich ziehe um«, sagte ich und wischte mir mit dem Handrücken hastigüber die Augen.»Das sehe ich. Warte, ich pack mit an!« Emil sprang leichtfüßigüber die Hecke, schlug seinem Vater kameradschaftlich auf die Schulter und rief:»Nimm es wie ein Mann, Papa!« Schon eilte er die Kellertreppe hinunter, um beim Transport von Charlottes Bettgestell mitzuhelfen.»Wer Scheiße baut, muss sie auch auslöffeln«, rief er von unten.»DEINE Rede, Papa!«»Du kannst das hier doch nicht alles zerstören!« Volker nahm meine Hände und drückte sie an seine Brust. Sein Herz raste unter dem weißen, tadellos gebügelten Hemd.

»Nein. Das kann ich auch nicht. Weil du bereits alles zerstört hast!« Im Vollererhof hatten wir diese Situation ein Dutzend Mal durchgespielt. Ohne diese Vorbereitung hätte ich jetzt hysterische Anfälle bekommen. Dann wäre ich weinend zusammengebrochen und in mein altes Leben zurückgekehrt. Hätte mich ein weiteres Mal von Volkers Verführungskünsten herumkriegen und von diesem Mann»auf Händen tragen« lassen. Wie leicht man dieses»AufHänden-tragen-Lassen« doch mit»Auf-den-Arm-nehmen-Lassen« verwechseln kann! Volker lief aufgebracht in der Einfahrt auf und ab und wich meinen treuen Freunden und Möbelpackern aus, die meine Sachen und die der Kinder in den Möbelwagen trugen. Justus’ Söhne waren auch dabei.

»Find ich gut, dass Barbara sich jetzt nicht mehr verarschen lässt«, teilte Emil den beiden jungen Männern in seiner entwaffnenden Offenheit mit.»Nichts gegen meinen Papi, aber da ist der alte Schwerenöter echt zu weit gegangen.«»Lass uns einen Spaziergang machen«, schlug ich vor.»Übernimm Eigeninitiative, Barbara!«, hallte es mir in den Ohren. Volker war regelrecht dankbarüber diesen Vorschlag. Er versuchte sogar, den Arm um mich zu legen, aber ich schüttelte ihn ab und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Wir liefenüber die weiten Wiesen und Felder am Fuß des Gaisbergs, die erste milde Frühlingssonne ließ den letzten Schnee auf Koppeln und Weiden schmelzen. Das hier war meine Wohngegend gewesen, und ich würde sie schmerzhaft vermissen. Den Sonnenblumenweg, in dem die Welt scheinbar in Ordnung gewesen war."