Kapitel 2
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem leichten Dröhnen hinter den Schläfen, das wohl den zwei Flaschen Wein geschuldet war, die Janine und ich am Abend zuvor geleert hatten. Ich reckte mich ausgiebig, nachdem ich den Wecker ausgeschaltet hatte.
»Auf geht’s«, sagte ich zu mir selbst und schlug die Bettdecke zurück. Um dreizehn Uhr rückte das Umzugsunternehmen an, bis dahin musste ich die allerletzten Sachen eingepackt haben. Das Bett hatte ich bereits am Vortag auseinandergeschraubt und auf einer Matratze auf dem Fußboden übernachtet. Von Markus hatte ich gestern nichts mehr gehört, aber in seiner Instagram-Story gesehen, dass er mit einigen Kollegen im Biergarten gewesen war. Genau genommen hatte er sich die ganzen letzten Tage etwas rar gemacht. Manchmal bekam ich Angst, dass es mir nicht so leichtfallen würde wie ihm, mich in München einzuleben. Doch ich schüttelte diesen Gedanken jedes Mal ab. Durch die Arbeit im Krankenhaus würde ich sicherlich schnell neue Kontakte knüpfen.
Aber zunächst würde ich die freie Zeit genießen. Acht Wochen hatte ich nun frei – einen Großteil des Sommers. Bei der Vorstellung lachte ich fassungslos auf, so unwirklich fühlte sich das an. Ursprünglich hatte ich meinen Resturlaub früher nehmen wollen, um gemeinsam mit Markus in München nach einer Wohnung zu suchen. Aber die Personallage im Krankenhaus hatte uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Nachhinein freute ich mich über die daraus entstandene lange Pause bis zum Antritt des neuen Jobs.
Nachdem ich im Stehen eine Tasse Tee getrunken hatte, spülte ich sie direkt ab und packte sie in die Kiste, in der sich das restliche Geschirr befand.
Eine letzte Dusche im vertrauten Bad. Lediglich zwei Handtücher und ein kleiner Kosmetikbeutel lagen noch am Rand des Waschbeckens. Eines schlang ich mir um die nassen Haare, mit dem anderen trocknete ich mich ab, bevor ich im Anschluss den Spiegel frei wischte, der beschlagen war vom heißen Dampf. Die Wohnung in München war renoviert, und Markus hatte voller Begeisterung erzählt, dass der Spiegel beheizt war und niemand ihn mehr frei wischen musste. Wenn ich jetzt daran dachte, erfasste mich eine seltsame Wehmut, und ich wollte plötzlich keinen beheizten Spiegel, sondern weiter in unserer gemütlichen Wohnung den Dampf selbst wegwischen und mich im Anschluss darüber ärgern, dass Streifen zu sehen waren.
»Sei nicht albern, Nora«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Schließlich zog ich nicht zum ersten Mal um, außerdem war München eine tolle Stadt – und das Allerwichtigste: Markus war dort. Nach den stressigen, finanziell oftmals engen letzten Jahren, kamen nun bessere auf uns zu.
Ich zog mich an und hängte die Handtücher auf den Balkon. Die Junisonne würde sie rasch trocknen. Bisher war mir wenig Zeit geblieben, um die frühsommerlichen Temperaturen zu genießen. Aber bald … Der Umzug war der letzte Kraftakt. Mit diesem Gedanken packte ich das Bettzeug in die verbliebene leere Kiste, obendrauf kamen die Badutensilien.
Zum Mittag holte ich mir ein Croissant vom nahegelegenen Bäcker. Als ich den Schlüssel unten in die Haustür steckte, vibrierte mein Handy in der Hosentasche. Umständlich fischte ich es heraus. Markus.
»Hey, mein Schatz. Ich bin eben fertig geworden, und das Umzugsunternehmen müsste jeden Moment kommen. Hattest du gestern einen schönen Abend im Biergarten?«
Mit dem Telefon zwischen Ohr und Schulter und der Bäckertüte in einer Hand, öffnete ich die Tür.
»Warst du schon beim Briefkasten?« Markus hörte sich gestresst an.
»Nein, wieso? Erwartest du was Wichtiges? Ab morgen läuft der Nachsendeantrag, aber der Vermieter schickt uns die Post zu, falls sich doch etwas hierhin verirren sollte.«
»Es ist wichtig. Versp