: Anna Jessen
: Die Insel der Wünsche - Klippen des Schicksals Roman
: Goldmann
: 9783641258023
: Die Helgoland-Saga
: 1
: CHF 8.00
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 640
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Helgoland 1925. Die Insel erlebt eine Zeit von Glanz und Reichtum. Die ganze Welt scheint sich in den Felsen verliebt zu haben und dort das Leben feiern zu wollen. Tine Tiedkens hat sich nach den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren eine neue Existenz als Blumenhändlerin und Hebamme aufgebaut. Auch für ihre Tochter Henriette fügt sich zunächst alles zum Besten, als ihr Mann Otto den reichen Bankier Silberbach als Gönner für seinen Bootsbau gewinnt. Doch Ende der 20er Jahre ändert sich das politische Klima, das Böse verschont auch die Insel nicht. Und schon bald schweben Tine und Henriette in höchster Gefahr ...

Anna Jessen liebt die Nordsee seit der Kindheit. Daher ist jede mögliche Reise dorthin eine willkommene Gelegenheit, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen, Feuersteine zu sammeln und auf der Düne den Gedanken nachzuhängen. Helgoland ist für Anna Jessen die »Insel der Wünsche«, faszinierend durch die einzigartige Natur, die liebenswerten Menschen und nicht zuletzt durch die besondere Geschichte, die dieser Fels erlebt hat. Neben dem Reisen gilt die ausgesprochene Leidenschaft Anna Jessens dem Schreiben, der Musik und der Arbeit im Buchhandel.

Erstes Kapitel

Wie immer herrschte bei Stövers Gedränge. Obwohl die alteingesessene Familie den Kramerladen vor einiger Zeit deutlich vergrößert hatte und jetzt mit dem Hinweis auf »Feinkost« warb, standen die Kunden eng auf eng – und das war durchaus ein weiterer Grund, weshalb alle Welt sich dort traf: Stövers Laden war seit jeher ein Ort gewesen, wo man das Neueste erfuhr oder Gerüchte loswerden konnte. An jenem Tag allerdings schien es auf der ganzen Insel nur ein einziges Thema zu geben.

»Sie müssen mächtig stolz auf Ihren Mann sein, Jette!«, erklärte Katja Stöver, die mit den Jahren füllig geworden war. »Und ihr natürlich auf euren Papa!« Sie zwinkerte den Kindern zu, die neben Jette standen. Während Julchen geradezu ein wenig zu wachsen schien, versteckte sich Sven hinter Jettes Rock und klammerte sich fest an ihr Bein. »Hach, ist er nicht putzig?«, rief die Kramerin und lachte.

Jette seufzte. »Na ja, er ist eben erst zwei. Da sind sie putzig. Und schüchtern. Aber frech sind sie trotzdem.« Sie wuschelteSvens Haar und versuchte dann, vom Thema abzulenken. »Also, ich hätte dann gern zwei Pfund Mehl, Frau Stöver.«

Doch die Kramerin ließ sich das Thema nicht nehmen. »Nun erzählen Sie doch, wie es passiert ist!«, drängte sie.

»Es warten aber doch Kunden, Frau Stöver«, wandte Jette ein und wies mit dem Kopf auf die Schlange, die sich hinter ihr gebildet hatte.

»Wir haben Zeit!«, beschied ihr eine der Olsen-Töchter, die hinter ihr stand, und legte fröhlich lächelnd ihre Hände auf den hochschwangeren Bauch. Jette seufzte erneut, dann sagte sie: »Eigentlich war es doch eine Selbstverständlichkeit, nichts weiter.«

»Dass einer von uns Heldentaten begeht?«

»Dass wir Menschen in Seenot retten«, erklärte Jette. »Und das war es ja nicht einmal. Ein Inselgast ist einfach zu weit hinausgeschwommen.«

»Stimmt es, dass es eine preußische Prinzessin war?«, wollte die Olsen-Tochter wissen.

»Nein«, stellte Jette richtig. »Es war die Frau eines Kurgastes aus Hamburg.«

»Eines Bankiers!«, erklärte Katja Stöver. »Baron Silberstein, richtig?«

»Silberbach«, korrigierte Jette. »Nun, Otto hat bemerkt, dass sie offenbar am Ende ihrer Kräfte war. Die Strömung eben …« Ja, das kannten sie alle. Helgoland war umgeben von Strömungen, die auch den besten Schwimmer mit sich ziehen und in höchste Gefahr bringen konnten. »Er hat sein Ausflugsboot hingelenkt und sie an Bord gezogen.«

»Miteiner Hand!«, rief die Kramerin mit wichtiger Miene.

»Tja. Er hat nun mal nur die eine«, erwiderte Jette. »Also, wie gesagt, Mehl bräuchte ich …«

»Und sie war noch bei Bewusstsein?«

»Die ganze Zeit, ja.«

Das schien die Damen, die hinter Jette standen, nun doch zu enttäuschen. Eine Ohnmächtige zu bergen, die in den nächsten Sekunden für immer in den Fluten versunken wäre, das wäre doch um Einiges aufregender gewesen.

»Ein guter Mann ist er, Ihr Otto.«

Jette nickte. Das war ein Punkt, in dem sie ganz eins mit der Kramerin war. »G