Kapitel 14
Der fliegende Kaffeebecher ist Ausdruck eines Wutanfalls. Er wird geradewegs über zwei Schreibtische hinweg durch die Luft geschleudert, wobei entgegen jeglicher Gesetzmäßigkeiten der Zentrifugalkraft in unergründlicher Weise fast sämtliche Flüssigkeit darin enthalten bleibt, bevor er beim heftigen Aufprall auf eine danach cappuccinofarbene Wand dahinter zersplittert.
Die beiden Polizisten starren einander an, der eine beschämt, der andere erschrocken. Der ältere Polizist heißt Jim. Der jüngere, sein Sohn, heißt Jack. Dieses Polizeirevier ist zu klein, um sich aus dem Weg gehen zu können, deshalb landeten die beiden Männer an zwei zusammengeschobenen Schreibtischen, wo sie sich gegenübersitzen, nur mäßig verborgen hinter ihrem jeweiligen Computerbildschirm. Denn Polizeiarbeit besteht heutzutage nur zu einem Zehntel aus echter Polizeiarbeit, der restliche Anteil umfasst das minutiöse Protokollieren dieser Polizeiarbeit.
Jim wurde in eine Generation hineingeboren, die Computer noch als Zauberei ansah, Jack in eine, die Computer von Kindesbeinen an als Selbstverständlichkeit betrachtete. Als Jim klein war, bestrafte man Kinder, indem man sie in ihr Zimmer schickte, heutzutage versucht man sie wieder herauszulocken. Eine Generation wurde dafür gerügt, dass sie nicht stillsitzen konnte, die nächste wird dafür gerügt, dass sie sich nicht bewegt. Wenn Jim einen Bericht schreibt, drückt er entschlossen jede Taste, um anschließend sofort auf dem Bildschirm zu kontrollieren, ob der Computer ihn auch nicht getäuscht hat, erst danach betätigt er die nächste Taste. Denn Jim lässt sich nicht so leicht täuschen. Jack schreibt im Gegenzug so wie alle jungen Männer, die nie in einer Welt ohne Internet gelebt haben. Er könnte es sogar mit verbundenen Augen tun, denn seine Finger fliegen förmlich über die Tasten, sodass nicht einmal ein verfluchtes forensisches Labor würde beweisen können, dass diese sie überhaupt berührt haben.
Beide Männer treiben einander schon mit den kleinsten Dingen in den Wahnsinn. Wenn der Sohn irgendetwas im Internet sucht, nennt er es schlicht und einfachgoogeln. Wenn sein Vater dasselbe tut, sagt der: »Das werde ich bei Google nachschlagen.« Wenn sie sich in irgendeiner Sache uneinig sind, behauptet der Vater »Doch, das ist so, ich hab es bei Google gelesen!«, woraufhin der Sohn aufbraust: »Manliest keine Infos bei Google, Papa,mansucht sie …«
Der Sohn regt sich gar nicht unbedingt über die Tatsache auf, dass sein Vater nicht begreift, wie man die moderne Technik anwendet, sondern eher darüber, dass der Vater es eben nur fast begreift. Jim weiß zum Beispiel nicht, wie man einen Screenshot ausführt, deshalb fotografiert er mit seinem Handy den Bildschirm, wenn er ein Foto von einer Abbildung machen möchte. Und wenn er ein Foto von einer Abbildung auf seinem Handydisplay ausdrucken möchte, legt er das Gerät auf den Kopierer. Ihren letzten heftigen Streit hatten Jim und Jack, als irgendein Vorgesetzter ihres Chefs auf die Idee kam, dass das Polizeikorps der Stadt zukünftig ›in den sozialen Medien präsenter‹ sein sollte (denn in Stockholm sind offenbar alle Polizisten rund um die Uhr wahnsinnig präsent), und sie bat, während eines gewöhnlichen Arbeitstages Fotos voneinander zu machen. Also fotografierte Jim seinen Sohn Jack am Steuer des Streifenwagens. In voller Fahrt. Mit Blitzlicht.
Jetzt sitzen sie einander gegenüber auf der Wache und tippen in jeweils unterschiedlicher Geschwindigkeit. Jim umständlich, Jack effizient. Jim er