: Sofia Caspari
: Der Tanz des Kolibris Roman
: beHEARTBEAT
: 9783751721790
: 1
: CHF 5.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 496
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Hat ihr Glück in der Ferne eine Chance?

Ein Dorf am Rande des Hunsrücks, 1844: Anne und Thomas lieben einander, sehen jedoch als Magd und Knecht des Großbauern Reichard keine Möglichkeit, eine Familie zu gründen. Zudem beginnt Reichard, Anne nachzustellen. Als ein Auswanderungsagent durch ihr Dorf reist und von Brasilien berichtet, beschließen Anne und Thomas, die Überfahrt zu wagen. Doch ihre Ersparnisse reichen zunächst nur für Annes Überfahrt. Sie tritt in die Dienste eines jungen Mannes, der ebenfalls nach Brasilien reist. Doch Anne weiß nicht, welche geheimen Pläne dieser verfolgt und dass dessen Rache ihr eigenes Glück mehr als bedroht.

Eine fesselnde Familiensaga vor der farbenprächtigen Kulisse Brasiliens - für Fans von Sarah Lark und Elizabeth Haran.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.




<p>Sofia Caspari, geboren 1972, hat schon mehrere Reisen nach Mittel- und Südamerika unternommen. Dort lebt auch ein Teil ihrer Verwandtschaft. Längere Zeit verbrachte sie in Argentinien, einem Land, dessen Menschen, Landschaften und Geschichte sie tief beeindruckt haben. Heute lebt sie - nach Stationen in Irland und Frankreich - mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Söhnen in einem Dorf im Nahetal.<br></p>

Zweites Kapitel


»Pünktlichkeit ist eine Tugend.« Erich Berlau schaute die Tochter unter seinen buschigen Augenbrauen hervor wütend an. »Aber offenbar zählt das heutzutage nicht mehr. Dein lieber Sohn Wilhelm ist auch noch nicht da, dabei hat er wenig genug zu tun. Es wird Zeit, dass der junge Herr lernt, was wirkliche Arbeit ist und was es heißt, ein Gut zu führen. Alt genug ist er ja.«

»Ich habe ihn heute noch nicht gesehen«, setzte Lydia an.

Erich wischte ihre Worte mit einer Handbewegung fort. »Still, ich hasse nichts mehr als Schnattermäuler bei Tisch.«

Lydia senkte den Kopf und starrte ihren Teller an. Der erste Gang war wie immer Suppe. Sie löffelte, ohne etwas zu schmecken, und verlor sich in ihren Gedanken.

Diese Frau heute in der Jagdhütte, diese Anne … Waren Michel Reichard und sie ein Paar? Reichard musste doppelt so alt sein wie die junge Frau. Nun gut, niemand konnte vorhersagen, wo die Liebe hinfiel.

Ob die beiden glücklich waren? Lydia wusste nicht, ob sie eifersüchtig oder angeekelt sein sollte. Die beiden dort zu sehen hatte in jedem Fall Erinnerungen in ihr geweckt, die sie gut in sich verschlossen geglaubt hatte. Sie hätte nicht gedacht, dass eine Wunde nach so vielen Jahren noch so schmerzen konnte.

Nichts ist verheilt.

Ohne es zu bemerken, richtete sie den Blick auf den Platz, an dem früher immer ihr jüngerer Bruder Hanno gesessen hatte.

»Was glotzt du denn so?«, herrschte Erich sie an.

Natürlich war es ihm aufgefallen. Ihm entging nichts. Lydia starrte wieder auf ihren Teller und kämpfte gegen die Tränen an.

Ach, Hanno, dachte sie, ach, Hanno, Hanno, Hanno …

Sie hatte ihren Bruder sehr geliebt. Mit ihm hatte sie sich weniger allein gefühlt. Auch jetzt noch sah sie sein rundes Gesicht vor sich, umrahmt von braunen Locken, seinen weichen rosigen Mund. Er war schlank gewesen, feingliedrig, so anders als der grobschlächtige Vater, mehr ein Ebenbild der Mutter.

Lydia seufzte. Seit so vielen Jahren durfte man nicht mehr über ihn sprechen, und doch blieb sein Platz frei. Nicht aus Liebe oder Respekt, sondern als ewige Mahnung.

»Sind Sie fertig, Frau Berlau?«

Lydia tauchte aus ihren Erinnerungen auf. Das Mädchen stand neben ihr und sah sie fragend an. Lydia hatte kaum ein paar Löffel von der Suppe gegessen und nickte doch.

Der Vater schüttelte den Kopf. »Du wirst noch ganz hager werden. Wer soll dich dann noch ansehen?«

Niemand braucht mich mehr anzusehen, schoss es Lydia durch den Kopf. Ein Teller mit Fleisch, Kartoffeln und Rotkraut wurde vor sie gestellt. Sie hasste den Geruch von Fleisch, hatte ihn immer gehasst, auch schon damals, als sie noch geglaubt hatte, die Welt müsse ihr offenstehen.

Seit sie die junge Frau dort gesehen hatte, wo sie einmal so glücklich gewesen war, war es ihr, als wäre die Wunde erst gestern geschlagen worden.

Sie war nie verheilt und würde nie verheilen. Das verstand sie jetzt.

Draußen in der Halle polterte es mit einem Mal, dann wurde die Tür aufgestoßen. Wilhelm kam herein, das Haar so blond wie das seines Vaters, die Augen ebenso hellbraun. Natürlich war ihr das schon früher aufgefallen, aber jetzt schien es ihr erstmals richtig bewusst zu sein. Es mochte daran liegen, dass Severin, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, so alt gewesen war wie Wilhelm heute.

»Guten Abend zusammen«, rief ihr Sohn munter. Er machte sich keine Gedanken darum, dass er zu spät kam. Er war die wich