: Christian Demand, Ekkehard Knörer
: MERKUR Gegründet 1947 als Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken - 7/2022 Nr. 878, Heft 7, Juli 2022
: Klett-Cotta
: 9783608119039
: MERKUR
: 1
: CHF 8.80
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: Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
: German
: 104
: kein Kopierschutz
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gleich drei Bücher unter Trump tätiger (und leidender) Diplomaten und Bürokraten liest Benjamin Nathans: Das Sittenbild, das sie zeichnen, lässt einem erneut das Blut in den Adern gefrieren, nicht zuletzt angesichts von Trumps Impeachment-würdigem Ukraine-Erpressungsversuch. Ulrich K. Preuß fragt sich, mit wie viel Recht eine Russland-Politik, die das Land in Europa einzubinden versuchte, nun als eindeutig falsch, wenn nicht ihrerseits verbrecherisch verurteilt wird. Über die Ethik der Bilder des Krieges in Zeiten sozialer Medien denkt Charlotte Klonk nach. Eva Geulen porträtiert die (Walter-Benjamin)Porträtistin Hannah Arendt. Über Zivilgesellschaft und Krieg und über Bekenntniszwang in Zeiten des Kriegs schreibt Gunnar Hindrichs in seiner Philosophie-Kolumne. Philipp Oswalt erwidert auf Lothar Machtans Versuch, die Bilder der Begegnung von Kronprinz Wilhelm und Hitler beim 'Tag von Potsdam' zu entschärfen - und zeiht zudem Martin Sabrow der Verharmlosung zugunsten des Wiederaufbaus der Potsdamer Garnisonkirche. Felix Heidenreich sichtet aktuell debattierte Optionen zu mehr Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Demokratie - über das periodische Ankreuzen von Wahlzetteln hinaus. Um Militärdienst, Gefechtseifer und Motive zum Kämpfen dreht sich ein Essay, in dem Wolfgang Fach vor dem Horizont der Gegenwart auf die Vergangenheit blickt. Mit der politischen Figur des Parasiten und ihrer ständigen Wiederkehr befasst sich Mathias Lindenau. In Hanna Engelmeiers Schlusskolumne geht es um (den Unterschied zwischen) Feindseligkeit und Feindschaft.

Christian Demand, Jg. 1960, hat Philosophie und Politikwissenschaft studiert und die Deutsche Journalistenschule absolviert. Er war als Musiker und Komponist tätig, später als Hörfunkjournalist beim Bayerischen Rundfunk. Nach Promotion und Habilitation in Philosophie unterrichtete er als Gastprofessor für philosophische Ästhetik an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2006 wurde er auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg berufen, wo er bis 2012 lehrt. Buchveröffentlichungen: Die Beschämung der Philister: Wie die Kunst sich der Kritik entledigte (2003), Wie kommt die Ordnung in die Kunst? (2010). Christian Demand ist Herausgeber des MERKUR.

DOI 10.21706/mr-76-7-18

 Ulrich K.Preuß

Über Fehler in der Politik


Zum Unterschied zwischen einem Verbrechen und einem Fehler


»Das ist mehr als ein Verbrechen, das ist ein Fehler« – dieser dem französischen Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand zugeschriebene Aphorismus kommt einem in den Sinn, wenn man die Diskussion darüber verfolgt, wie Bundespräsident Steinmeier über seine Russland-Politik als Außenminister der Großen Koalition unter Angela Merkel spricht und sich dabei vor allem gegen Vorwürfe des ukrainischen Botschafters in Deutschland und deren mediales Echo verteidigt. ImSpiegel-Interview vom 8. April 2022 erklärte er zu dem Vorwurf, dass er persönlich bis zuletzt an Nord Stream 2 festgehalten habe: »Das war ein Fehler, ganz klar. Ich habe mich zu lange damit beruhigt, dass Planungen für diese Pipeline schon vor 2014 stattgefunden hatten, und ich habe auf Dialog gesetzt.« Auf den vomSpiegel zitierten ukrainischen Vorwurf, er habe jahrelang eine naive Russland-Politik betrieben, antwortete er: »Wir sollten Putin nicht den Gefallen tun, die Verantwortung für seinen Angriffskrieg auf uns zu ziehen. Unabhängig davon müssen wir jetzt natürlich genau aufarbeiten, wo wir Fehler gemacht haben«, wobei er in das »Wir« ausdrücklich sich selbst einbezieht.

In der Presse wurden diese Aussagen wie das Geständnis eines Angeklagten behandelt.1 Dass Steinmeier von seinen Fehlern sprach, davon, dass »wir […] gescheitert [sind] mit der Einrichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird«, sowie »gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden«, wurde von der medialen Öffentlichkeit als »Eingeständnis« bewertet – ein