Einen halben Tag musste Dr. Danny Norden darauf warten, bis er seinen drei Kollegen die frohe Botschaft endlich überbringen konnte. Als der letzte Patient des Vormittags die Praxis verlassen hatte und Danny bei Wendy und Janine am Tresen stand, ergriff er seine Chance.
»Ich habe einen Anschlag auf euch vor!«
Schlagartig gehörte ihm alle Aufmerksamkeit.
»Das klingt wirklich vielversprechend!«, unkte Daniel Norden. Sein misstrauischer Blick ruhte auf seinem Sohn. »Worum geht es?«, fragte er, hob aber gleich darauf abwehrend die Hände. »Warte! Lass mich raten! Du willst unsere Weihnachtsfeier vom Restaurant auf die Schlittschuhbahn in der Fußgängerzone verlegen.«
»Falsch geraten!« Dannys Augen blitzten verdächtig. »Aber ich finde, wir sollten auch an diejenigen in der Gesellschaft denken, denen es nicht so gut geht.« Er verschwand in der Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu holen. »Statt nur einen Haufen Geld zum Fenster rauszuwerfen, sollten wir uns am Stand der Behnisch-Klinik auf dem Weihnachtsmarkt beteiligen. In diesem Jahr soll der Erlös Mums Initiative ›Ein Bild für Mama‹ zugutekommen«, fuhr er fort, als er aus der Küche zurückkehrte.
Wendy seufzte erleichtert auf.
»Ein Glück! Aufs Eis hätten mich keine zehn Pferde gebracht.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh! Wer weiß, was noch alles auf Sie zukommt.«
Ehe Wendy um Erklärung dieser rätselhaften Antwort bitten konnte, mischte sich Daniel wieder in das Gespräch ein.
»Moment. Kannst du uns Unwissenden bitte zuerst einmal erklären, was wir an diesem Stand verkaufen sollen?« Seine Augen waren schmal vor Argwohn. »Eine kostenlose Hühneraugenentfernung? Oder eher eine Läusebehandlung?«
Danny lachte.
»Das ist auch keine schlechte Idee. Du bist ziemlich kreativ für dein Alter …«
»Dir helfe ich gleich …« Dr. Norden schüttelte scherzhaft die Faust.
Doch davon ließ sich Danny nicht beeindrucken.
»Jenny Behnisch hat eine Tombola vorgeschlagen.«
»Und wir sollen jetzt unsere Wohnungen nach geeigneten Preisen durchforsten«, mutmaßte Janine.
Ein unschuldiges Lächeln auf den Lippen drehte sich Danny zu seiner Assistentin um. Der Schalk blitzte aus seinen Augen. Seit er wieder zart mit seiner Ex-Freundin Tatjana anbandelte, war er wie ausgewechselt. Sehr zur Erleichterung aller Mitmenschen war nichts war mehr übrig von der schlechten Laune, die ihm die wechselhafte Beziehung zur ebenso schönen wie hinterhältigen Bestatterin Charlotte Wohlrab beschert hatte.
»Nicht nötig. Wir selbst sind der Preis!«, verriet er.
»Wie dürfen wir das denn bitte verstehen?«
»Ganz einfach. Als Preise stellen wir unsere Zeit zur Verfügung. Wendy könnte zum Beispiel anbieten, mit dem Gewinner zum Schlittschuhfahren zu gehen!«
»Nur über meine Leiche!« Das Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben, und Danny wollte sich ausschütten vor Lachen.
Janine dagegen war sofort Feuer und Flamme.
»Ich weiß schon, was ich mache! Ich gehe mit den Leuten in die Kletterhalle. Da kann man gleich fünf oder sechs Lose daraus machen.« Vor Begeisterung klatschte sie in die Hände wie ein kleines Kind. »Dann komme ich auch mal wieder raus.«
»Und ich veranstalte einen Erste-Hilfe-Kursus«, stimmte Daniel Norden sofort mit ein. »Viel zu viele Leute haben Auffrischungsbedarf auf diesem Gebiet, finden aber nie die Zeit dazu.«
Zufrieden rieb sich Danny die Hände und sah dabei von einem Kollegen zum anderen.
»Ich wusste, dass ich mich auf euch verlassen kann. Deshalb habe ich Jenny auch schon zugesagt, dass wir dabei sind. Morgen Nachmittag steigt die Party. Wir sollen um sechzehn Uhr da sein, damit wir uns bei den Besuchern des Weihnachtsmarktes vorstellen können. Schließlich sollen sie nicht die Katze im Sack kaufen.« Er zwinkerte Wendy zu, die inzwischen auch ihre Fassung wiedergefunden hatten.
»Wenn das so ist, koche ich mit den Gewinnern meine Lieblingsrezepte in der Klinikküche. Das ist nicht so gefährlich wie Eislaufen und macht obendrein auch noch Spaß!«
»Bleibt nur zu hoffen, dass Sie Ihr Los nicht an einen Sternekoch verkaufen, der Ihnen die Butter vom Brot nimmt«, scherzte Danny und machte, dass er davonkam, als sie drohend die Hand hob.
»Frecher Bengel!«, schimpfte sie ihm nicht ganz ernst hinterher.
»Stimmt auffallend.« Dr. Daniel Norden kam nicht umhin, seiner langjährigen Assistentin recht zu geben.
»Aber ehrlich gesagt ist er mir so allemal lieber als zu der Zeit, als er mit Charlotte zusammen war«, sagte er und sprach damit laut das aus, was die beiden Assistentinnen bei sich dachten.
*
»Ich bin schon so aufgeregt! Eine Tombola zugunsten deiner Initiative ›Ein Bild für Mama!‹ Was für eine tolle Idee von der Chefin!« Schwester Elena stand mit ihrer Freundin und Kollegin Dr. Felicitas Norden im Aufenthaltsraum der Ärzte und trank Kaffee. Ihre Wangen leuchteten mit ihren Augen um die Wette.
Fee lächelte verlegen.
»Es ist ja schon lange nicht mehr meine Initiative. Ich habe die Aktion damals lediglich ins Leben gerufen und einige Zeit betreut. Es ist der Verdienst der vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, die das Projekt zu dem gemacht haben, was es ist.« Es schien ein ganzes Leben vergangen zu sein, seit sie mit den Mal- und Zeichenkursen für Kinder kranker Mütter begonnen hatte. Inzwischen bestand das Team aus zwei hauptberuflichen Kunstlehrern, zwei Psychologen und vielen Helfern, die ihre Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellten, um diese traumatischen Erfahrungen mit den Kindern aufzuarbeiten.
»Ohne dich gäbe es das alles nicht.« Elena dachte nicht daran, sich in ihrer Meinung beirren zu lassen. »Was bietes