: Gerhard Branstner
: Ich kam und sah und lachte Balladen, Anekdoten und Aphorismen
: EDITION digital
: 9783965217539
: 1
: CHF 4.80
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: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 173
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: PDF
In einer der in diesem Buch nachzulesenden 'Neulichkeiten' geht es um eine Nonne in einem Wahllokal in Jena, wo sie zur Zeit der ersten Wahl zur Volkskammer für ein besonderes Vergnügen und herzliches Gelächter sorgte. Und damit sind wir schon bei den beiden großen Themen dieses Autors, der sich immer wieder mit der menschlichen Heiterkeit und deren Voraussetzungen sowie mit dem Lachen befasst hat - und zwar mit dem Lachen zur richtigen Zeit. Um das besser verstehen zu können, sei hier die vollständige Nonnen-Heiterkeit zitiert: Von einer Nonne, die sich der Polizei überliefern wollte; sie wurde aber nicht genommen Während der ersten Wahl zur Volkskammer erlebten die Wähler in einem Wahllokal in Jena ein besonderes Vergnügen. Eine junge und hübsche Nonne hatte ihren Stimmzettel in einer der Kabinen ausgefüllt und trat an die Urne heran. Nach einem Blick gen Himmel steckte sie den Stimmzettel in die Öffnung der Urne und rief bewegt: 'So, jetzt könnt ihr mich verhaften.' Sie hatte nämlich mit 'Nein' gestimmt und dachte nicht anders, als dass sie nun unvermeidlich hinter Gittern schmachten müsse. Als die übrigen Wähler die Situation begriffen hatten, brachen sie in ein herzliches Gelächter aus, das sich an der Verlegenheit der hübschen Nonne immer aufs Neue entzündete. Die Nonne blickte sich im Raume um, ihre Augen suchten den 'Geheimpolizisten', der nach ihrer Meinung unbedingt anwesend sein musste. Doch es wollte sich keiner blicken lassen. Weitere in das Wahllokal eintretende Wähler umringten die Nonne und stimmten in das Gelächter ein, sobald sie unterrichtet wurden. Die Nonne sah sich noch immer nach der Polizei um, ihr Blick hatte jetzt aber etwas Hilfesuchendes an sich. Es schien, als ob sie den Polizisten als Retter aus höchster Not erwarte. Aber auch jetzt trat er nicht auf die Bildfläche. Schließlich machte ein Angehöriger des Wahlausschusses die Nonne darauf aufmerksam, dass sie durch ihr Verhalten den ernsthaften Fortgang der Wahlaktion störe, und sie ging blutübergossenen Gesichts aus dem Raum. Das Bemerkenswerte an dieser Geschichte ist aber, dass die Nonne eine tiefe Enttäuschung über diesen Ausgang ihrer Wahlhandlung im Herzen nach Hause trug. Einige der Umstehenden jedenfalls wollten es so gesehen haben. Und zum Schluss noch zwei andere spannende Aphorismen von Gerhard Branstner: Manche Leute sind, wie sie sagen, nur deshalb gegen die Revolution, weil sie unhöflich sei. Worüber man sich nicht einigen kann, darüber kann man nicht streiten.

Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre. 1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft. 1949 - 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.). 1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 - 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin. Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller. 2008 in Berlin verstorben.
Ach, Liebster, lass uns eilen Ach, Liebster, lass uns eilen, es schadet uns Verweilen nur beiderseit. Der edlen Schönheit Gaben und alles, was wir haben, entschwindet mit der Zeit. Drum lass uns jetzt genießen, eh dass wir folgen müssen des Alters Dürftigkeit. Drum lass uns jetzt genießen der Jugend schönstes Glück. Was du mir gibst, das gebe ich doppelt dir zurück. Drum lass uns jetzt genießen, eh dass wir folgen müssen des Alters Dürftigkeit. Ach, Liebster, lass uns eilen, es schadet uns Verweilen nur beiderseit. Des Jägers Wunderhorn Ein Jäger hat ein Horn, gib acht! Das bläst er nur bei Nacht tirilü, das bläst er nur tirilütütü, das bläst er nur bei Nacht. Und er versteht sich auf das Horn von hinten und von vorn tirilü. Von hinten und tirilütütü, von hinten und von vorn. Und als sich ihm ein Mägdlein naht, was glaubt ihr, was er tat tirilü, was glaubt ihr, was tirilütütü, was glaubt ihr, was er tat? Er zeigte ihr das Instrument und fragt, wie sie es fänd' tirilü, und fragt, wie sie tirilütütü, und fragt, wie sie es fänd'. Das Mägdlein nahm's in Augenschein und in die Hände zwein tirilü, und in die Händ' tirilütütü, und in die Hände zwein. 'Das Horn find' ich gar recht', sprach sie, 'wenn Ihr auch kennt das Spiel tirilü, wenn Ihr auch kennt tirilütütü, wenn Ihr auch kennt das Spiel.' Der Jäger sprach: 'Ich kenn' es wohl', und stieß mit großer Kunst tirilü die Töne, dass die Ader schwoll - tirilütütü! Tirilü! Und auch die Zwischentöne, die weichen und die andern, lässt er in schnellem Wechsel durch alle Lagen wandern - tirilütütü! Tirilü! Noch manch verschlungne Wendung und unverhofften Sprung tirilü vollführt sein Instrumentum. Da naht die Morgendämmerung - tirilü! Tirilütütü! Tirilü! Sprach sie: 'Ach schnell noch mal von vorn, es ist ein Wunderhorn tirilü, es ist fürwahr tirilütütü, fürwahr ein Wunderhorn. Ach schnell noch mal von vorn!' Ein schöner Mann liebt' einst ein Weib Ein schöner Mann liebt' einst ein Weib und sie liebt' ihn von Herzen. Er hat sie bald darauf gefreit, der schöne Mann das schöne Weib. Sie liebte ihn von Herzen. Doch seine Liebe wurde kalt, sie wurde kalt. Sie liebte ihn mit Schmerzen. So wurde ihre Liebe alt, sie wurde alt - sie wurde alt mit Schmerzen. Moritat von den schwarzen und von den grauen Haaren Ein jedes Alter hat auch sein Beschwer, und wer es hat, empfindet es dann sehr. Der Jüngling wünscht, dass er schon älter wär. Und ist er alt, sehnt er die Jugend her. So lebt ein jeder in sich selbst halbiert - und keiner weiß davon, wohin der Zwiespalt führt. Hört nun die haarsträubende Geschichte von dem Manne, der es mit zwei Frauen hielt, einer älteren und einer jungen. Aber es ist ihm schlecht ausgeschlagen. Der Mann befand sich in den besten Jahren noch und hatte wunderschönes schwarzes Haar - jedoch auch graue warn zu sehn. Die Frauen liebte er (versteht sich) wechselweis. Sie zupften ihm dabei ganz zart im Haar mit Fleiß. Und schließlich wars geschehn. Mit kahlem Kopf steht er vor einem Rätsel. Die Lösung ist voll Narretei. Die Junge liebte seines Haares Schwärze und zog die grauen by and by. Die schwarzen zog die Alte ihm vom Dezel, damit er ihr mehr ähnlich sei. Auf diese Art erweist sich das Gemetzel als klassische Haarspalterei. Und von dem Manne sei nur soviel noch gesagt: Er hat verdient den kahlen Schlag. Wer sich halbiert, um so sein Glück zu gründen, an dem ist nichts verlorn, der kann sich selbst nicht finden. Der Weisheit Schluss hat Raum in einem Satze: Wer sich in sich nicht kann zusammenfassen, wird nie er selbst und muss nur Haare lassen. Und du stehst da - mit Glatze!