I
Nie werde ich vergessen, wo ich war und was ich tat, als ich meinen Vater sterben sah. Ich stand an ziemlich genau derselben Stelle wie jetzt, die Arme auf das Holzgeländer der Veranda um unser Haus gestützt, und schaute den Erntehelfern zu, wie sie sich zwischen den Reihen der Rebstöcke vorarbeiteten, an denen schwer die reifen Trauben hingen. Gerade als ich mich zu ihnen gesellen wollte, nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, wie mein Vater, ein Schrank von einem Mann, urplötzlich aus meinem Blickfeld verschwand. Zuerst dachte ich, er hätte sich hingekniet, um heruntergefallene Trauben aufzuheben – er hasste jegliche Art von Verschwendung, was er auf die streng presbyterianische Einstellung seiner schottischen Eltern zurückführte –, da stürzten Helfer aus den Reihen neben der seinen zu ihm. Von der Veranda aus waren es gute hundert Meter. Ich rannte hinüber. Als ich ihn erreichte, hatte ihm schon jemand das Hemd aufgerissen und versuchte, ihn wiederzubeleben, indem er mit aller Kraft die Hände auf seinen Brustkorb presste und ihn von Mund zu Mund beatmete, während ein anderer die Notrufnummer wählte. Der Krankenwagen kam zwanzig Minuten später.
Wie er so mit wächserner Gesichtsfarbe auf der Tragbahre lag, wurde mir klar, dass ich seine tiefe, sonore Stimme, die immer so ernst klang, jedoch auch von der einen Sekunde auf die andere in ein raues, kehliges Lachen übergehen konnte, nie wieder hören würde. Tränenüberströmt küsste ich sanft seine wettergegerbte Wange, sagte ihm, dass ich ihn liebe, und verabschiedete mich von ihm. Im Nachhinein betrachtet wirkte das ganze schreckliche Ereignis, die Verwandlung eines vor Leben strotzenden Menschen in eine kraftlose, leere Körperhülle surreal und letztlich unbegreiflich.
Nachdem Dad monatelang unter Schmerzen in der Brust gelitten hatte, die er als Sodbrennen abtat, war es uns endlich gelungen, ihn zu einem Arztbesuch zu bewegen. Der hatte ihm mitgeteilt, seine Cholesterinwerte seien zu hoch, er müsse Diät halten. Meine Mutter und ich wären fast verzweifelt, weil er weiterhin aß, worauf er Appetit hatte, und dazu jeden Abend eine Flasche Rotwein aus seinem eigenen Weingut leerte. Eigentlich hätte es uns also nicht überraschen dürfen, als schließlich das Schlimmste passierte. Vielleicht hatten wir ihn aufgrund seiner starken Persönlichkeit und Jovialität für unsterblich gehalten, aber wie meine Mutter so richtig bemerkte, bestehen wir am Ende doch alle nur aus Fleisch und Knochen. Wenigstens hatte er bis ganz zum Schluss so gelebt, wie er wollte. Außerdem war er immerhin dreiundsiebzig gewesen, eine Tatsache, die ich aufgrund seiner Körperkraft und Lebenslust gern vergaß.
Ja, ich fühlte mich betrogen. Schließlich war ich erst zweiundzwanzig. Obwohl ich wusste, dass ich spät in das Leben meiner Eltern getreten war, begriff ich, was das bedeutete, erst bei Dads Tod. In den Monaten, die er mittlerweile nicht mehr unter uns weilte, hatte ich Wut über diese Ungerechtigkeit empfunden; warum war ich nicht früher zur Welt gekommen? Mein großer Bruder Jack hatte mit seinen zweiunddreißig zehn Jahre mehr mit unserem Dad verbringen dürfen als ich.
Mum schien meinen Zorn zu spüren, auch wenn ich nie offen mit ihr darüber sprach. Genau deswegen plagten mich Schuldgefühle, weil sie ja nichts dafür konnte. Ich liebte sie von ganzem Herzen. Wir standen uns seit jeher sehr nahe, und sie trauerte ebenfalls, das sah ich. Weil wir uns bemühten, einander zu trösten, gelang