Die Kandidaten
Drei der Kandidaten arbeiteten an ihrer Schule.
Wenn sie die drei in eine Rangordnung bringen sollte, und sie konnte es nicht lassen, das zu tun, kam Max Lehrer auf den ersten Platz. Das stand außer Frage; er war in ihrem Alter, unterrichtete Literatur und Philosophie, war seit zwei Jahren geschieden und auf die klassische Art amerikanischer Filme attraktiv. Gregory Peck. Clark Gable. Burt Lancaster. Die Hälfte aller Schülerinnen war mit Sicherheit in ihn verliebt (vor allem die Siebzehn- und Achtzehnjährigen in den höheren Klassen), und darüber hinaus recht viele Frauen im Kollegium, aber Anna wusste, dass er gerade ihr besonders viel Aufmerksamkeit schenkte. Wenn er im Sekretariat etwas erledigt hatte, blieb er häufig noch einen Moment und unterhielt sich mit ihr. Und manchmal kam er sogar dorthin, ohne ein konkretes Anliegen zu haben. »Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht«, sagte er dann etwa. Oder »Es ist immer eine Freude, dich hier zu sehen.« Trotzdem hatte sie nie das Gefühl, dass er mit ihr flirtete, jedenfalls nicht auf eine vulgäre Art, aber vor allem in letzter Zeit (vielleicht wirklich seit der Enthüllung über Herberts fragwürdige Spermien) war es vorgekommen, dass sein Blick eine Sekunde zu lange in ihrem verweilte. Und ihrer in seinem. Es ging um solche fast unmerklichen Zeichen, die nicht ganz leicht zu deuten und dennoch so deutlich waren, wie es nur ging, wenn man es wagte, den entscheidenden Schritt zu machen und zu glauben, was man da sah.
Auch seine Stimme hatte etwas. Sie hätte gern in einer seiner Stunden gesessen, vielleicht als Fliege an der Wand, nur um erleben zu dürfen, wie es aussah, wenn er unterrichtete. Wie er seine warme, dunkle Stimme benutzte, um den Schülern von einem großen Schriftsteller oder Philosophen zu erzählen. Und wie sich sein großer, durchtrainierter Körper zwischen den Pultreihen bewegte … o ja, selbstverständlich belegte Max Lehrer den ersten Platz im Wettbewerb der Bewunderer.
Aber die beiden anderen Anwärter an der Schule waren auch nicht zu verachten. Rickard Huygens, Geschichte und Gemeinschaftskunde, war zwar verheiratet (mit einer Lehrerin an der Realschule), aber es war offensichtlich, dass seine Ehe aus den Fugen geraten war. Bei einem Schulfest vor einem halben Jahr hatten Anna und er zufällig nebeneinandergesessen, und nach ein paar Gläsern Wein hatte er sich seinen Kummer von der Seele geredet. Er sei verheiratet mit einer Gans; als sie jung war, sei sie eine richtig hübsche Gans gewesen, aber mit den Jahren sei die Schönheit von ihr abgeperlt wie … ja, wie Wasser von einer Gans. Anna hatte sich gefragt, ob ihm diese witzige Bemerkung gerade eingefallen war, oder ob er sie eingeübt hatte. Wie auch immer, es war nicht zu weit gegangen, Rickard Huygens hatte seine Frau und seine Ehe nicht völlig niedergemacht, hatte einen Teil der Schuld auf sich genommen, und sie hatten auch über anderes geredet. Außerdem hatte er sich als ausgezeichneter Tänzer erwiesen, drei Lehrer (zwei im Fach Musik, einer in Mathematik) hatten spontan eine Jazz- und Bluesband gebildet, und als die Tafel aufgehoben war, hatte man fast zwei Stunden lang getanzt. Und Rickard Huygens hatte nicht nur zwei- oder dreimal, sondern eher neun- oder zehnmal Anna in Beschlag genommen.
Möglicherweise war er etwas zu jung, nicht älter als dreißig, fünf Jahre jünger als sie, aber wenn sie an ihn dachte, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Er war nicht halb so attraktiv wie Max Lehrer, der aus irgendeinem Grund nicht bei dem Fest gewesen war, aber er war lustig. Humorvoll und originell, und so weit von Herberts C