: Håkan Nesser
: Die Wahrheit über Kim Novak und den Mord an Berra Albertsson
: btb
: 9783641066451
: 1
: CHF 7.20
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 80
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gestatten, der Mörder!
Wer war der Täter? Wer war es, der in Håkan Nessers Bestseller »Kim Novak badete nie im See von Genezareth« zum Mörder wurde? Wer brachte Kanonen-Berra wirklich um die Ecke? Vier Verdächtige gibt es am Schluss des Romans: Berras Verlobte Ewa Kaludis, ob ihrer Schönheit auch Kim Novak genannt; Henry Wassmann, mit dem die umwerfende Erscheinung eine Affäre hatte; seinen Bruder Erik Wassmann, in diesem Sommer der Sünde gerade einmal vierzehn Jahre alt, sowie dessen krimibesessenen Schulfreund Edmund Wester. Zehn Jahre schwieg Nesser beharrlich. Er hatte gute Gründe. Auch wenn ihm auf Lesereisen, in Interviews, per Brief und via Email, immer nur die eine Frage gestellt wurde: Wer war der Mörder? Das Geheimnis sollte gewahrt bleiben, bis jetzt ...

Nach über zehn Jahren beantwortet Håkan Nesser endlich die Frage: Wer erschlug Kanonen-Berra, den ungeliebten Verlobten von Kim Novak, wirklich?

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in Stockholm und auf Gotland.

Håkan Nesser badete vermutlich im Tåsjön, und Uppsala liegt in Västergötland (S. 24-25)

von Eugen G. Brahms

Die Frage, wer Berra Albertsson in Håkan Nessers Roman Kim Novak badete nie im See von Genezareth tötete, wird wohl nie eindeutig beantwortet werden können. Der Erzähler Erik schweigt, und sein Kindheitsfreund Edmund, der dabei war, ist schon seit längerem verstorben. Ich habe in meinem Text Badade Van Veeteren i Kulmlasjön? (Bonniers 2003; auf deutsch: Badete Van Veeteren jemals im See von Kumla, btb 2004) versucht, der Sache auf den Grund zu gehen.

Die Tatsache, dass Erik in seinem Berichtüber die Umstände des Mordes oder Totschlags betont, dass Agatha Christies Alibi zur Sommerlektüre der beiden Freunde gehörte, sieht aus wie ein listiger Fingerzeig von seiner Seite, der Seite des Erzählers, soüberlegte ich. Es kann kein Zufall sein, dass Christies Geschichte, in der der Ich-Erzähler sich als Mörder erweist, auftaucht. Und näher kommt man einem Geständnis sicher nicht. Der Erzähler ist der Schuldige– er, der es berichtet, er hat es auch getan.

Noch etwas anderes ist es wert, genauer betrachtet zu werden. Und zwar hat es mit der Mordwaffe zu tun, dem Vorschlaghammer. Die Mordwaffe ist bei allen Ermittlungen von immenser Bedeutung. Nur selten genügt ein Geständnis, wenn die Waffe nicht gefunden wird! Und im Berra-Albertsson-Fall wird die Waffe nie gefunden. Dagegen beschreibt Erik zum Schluss, wie er sich nach seinem Gespräch mit Edmund an dessen Sterbebett zurück nach Kumla begibt, wo er seit fünfunddreißig Jahren nicht mehr gewesen war, wie er den Vorschlaghammer vor dem Ferienhaus bei Genezareth ausgräbt und wie er auf dem Rückweg nach Göteborg die mit eingetrocknetem Blut verschmierte Waffe in einen See in der Gegend von Skara wirft.

Was ist das für ein See? Wenn man nach Skara fährt, zeigt sich, dass Erik sich nichts weniger Eindeutiges hätte aussuchen können. Die Gegend um Skara herum gehört sicher zu den seenreichsten ganz Schwedens. Hier liegt nämlich Valle mit seinen Hunderten von kleinen Seen– 365 laut Volksmund, genauso viele wie das Jahr Tage hat: Husgärdessjön,Ökullasjön, Gårdssjön, Tåsjön, Kusen, Måsjön, Vagnsjön, Bysjön, Skärvlången,Östersjön– um nur einige der in Frage kommenden Seen zu nennen, die auf diesem einen Quadratkilometer großen Gebiet liegen und sich nahe der Straße befinden.

Ein besseres Versteck gibt es nicht! Das ist fast zu schön, um wahr zu sein! Und tief sind sie auch noch, diese ganz speziellen Hinterlassenschaften des Inlandeises, die jeder Idiot kennt, im Gegensatz zum ebenso recht nahe gelegenen Hornborgasjön ein paar Kilometer weiter südlich.

Doch an dessen flache Ufer kommt man nicht mit dem Auto heran. Nein, die labyrinthischen Seen mit den steilen Ufern im Kreis Valle sind perfekt, wenn man eine Mordwaffe loswerden will! Håkan Nesser beweist in seinen Büchern ein besonderes Faible für diskrete Hinweise; wie er das macht und wie die Schemen seiner Kindheit in Kumla und auch seiner eher erwachsenen Schritte in Uppsala im Hintergrund von Van Veeterens scheinbar fiktiver Heimat durchscheinen, habe ich bereits in Badete Van Veeteren jemals im See von Kumla? aufgezeigt. Dieser Hang zu dem, was nach Alfred Hitchcock als Cameo-Auftritt bezeichnet wird, hatte freies Spiel, als der Kim-Novak-Roman verfilmt wurde: Der Autor ist ganz richtig in einer Statistenrolle zu sehen, an einem Stand fürs Dosenwerfen bei einem Tanzvergnügen im Lackapark. So sieht also die heimliche Signatur des Schriftstellers aus, gleichzeitig verborgen und dennoch hervorgehoben, im Reliefprofil, wie ein Kameeschmuckstück.1 Interessanterweise bezeichnen die Geologen den Kreis Valle als eine Kameelandschaft. Nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich eine so charakteristische Kameelandschaft finden, wie gerade hier im Kreis Valle. Im Wirrwarr der wiesen- und waldbewachsenen Hügel und Hänge sind Hunderte kristallklarer, glänzender, hellgrüner kleiner Wasserflecken zu entdecken. Linné, der hier seinerzeit vorbeikam, auf dem Weg von Kinnekulle nach Berg auf Billingen, notiert»eine Vielzahl kleiner Seen, die miteinander kommunizieren«. 2 Für mich bilden diese Korrespondenzen und kommunizierenden Behälter, das Buch mit dem rebusartigen Seetitel und die Landschaft mit ihren Wasserreservoirs und ihren an Edelsteinen erinnernden Formationen ein starkes Indiz dafür, dass es wirklich der Täter ist, der hier seine Waffe heimlich in einem»schwarzen« See versenkt, wie es in Kim Novak badete nie im See von Genezareth steht, schwarz wie Tinte, um uns hinters Licht zu führen, und gleichzeitig so auffällig und ausgesprochen schuldbewusst. Nur ein Schriftsteller könnte diese optimale Kameevorstellung in Szene setzen, facettenreich wie in einem Roman. Der Täter muss identisch sein mit dem wirklichen Urheber, dem Erzähler hinter dem Erzähler. Erik ist das Selbstportrait des Autors, maskiert in der Kameelandschaft.»In der Schreibsituation an sich sind Autor und dichterisches Ich identisch«, schreibt Håkan Nesser in einer anderen Geschichte um einen Hammerwerfer.3 Erscheint das nicht wie ein Eingeständnis, dem Verbrechen und dem Schuldbekenntnis vorauseilend? Der Autor als der Schuldige: auf frischer Tat mit seinem Füllfederhalter ertappt, verurteilt, wenn nicht aus ethischen, dann ausästhetischen Gründen.