Kapitel 1
Bath
«Leider haben wir auch diese Woche nichts für Sie. Schwierige Zeiten, das habe ich Ihnen ja schon letzte und vorletzte Woche gesagt. Die Wirtschaftslage ist nicht besonders rosig. Die Leute wechseln ihren Job nicht mehr so oft.» Die Jobvermittlerin lächelte Lucy mit haifischartig kleinen Augen an und spielte Mitleid vor. Dann schaute sie schnell weg, als wäre Lucys Arbeitslosigkeit ansteckend.
Schwierige Zeiten? Hallo? Lucy schrieb praktisch gerade ihre Doktorarbeit über schwierige Zeiten. Sie hätte die Jobvermittlerin am liebsten an der Kehle gepackt und sie geschüttelt. Stattdessen rutschte sie in dem hell erleuchteten Büro mit den schicken Möbeln und dem neuesten Applecomputer auf ihrem Stuhl herum und versuchte, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen.
Die Vermittlerin beäugte Lucys glanzlosen blonden Haare, die sie zu einem schlaffen Pferdeschwanz gebunden hatte, und konnte ihre entsetzte Neugierde nicht verbergen. Lucy schluckte. Sie spürte, wie ihr schon wieder die Tränen kamen.Versuchen Sie doch mal, sich die Haare zu frisieren, wenn sie Ihnen schon drei Wochen lang büschelweise ausfallen, dachte sie. Sie traute sich nicht mehr, sie öfter als einmal die Woche zu waschen, denn der Blick in den Abfluss voller blonder Strähnen war noch schrecklicher als der ganze andere Mist, der ihr gerade passierte. Es stand wirklich schlimm um sie, wenn schon die eigenen Haare beschlossen, den Dienst zu quittieren.
Lucy spürte, wie sich ihre Lippen kräuselten. Oh Gott, gleich würde sie knurren wie ein wildes Tier. Der Anblick der jungen Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches in ihrem kirschroten, maßgeschneiderten Businessanzug, mit ihrem glänzenden Bob und schicken, pflaumenfarbenen Gelnägeln machte es Lucy praktisch unmöglich, sich wie ein normaler Mensch zu benehmen. Die Arbeitsvermittlerin war der personifizierte Erfolg. Wie man eben aussieht, wenn man es geschafft hat und die eigene Karriere bergauf geht, anstatt wie die von Lucy steil bergab – wie ein Kanu, das die Niagarafälle herabsaust.
Seufzend zwang Lucy sich dazu, sich zu beruhigen. Die letzten zwanzig Minuten hatte sie gegen die Versuchung angekämpft, Miss Karriere bei ihren Aufschlägen zu packen und sie anzuflehen: «Es muss doch irgendeinen Job für mich geben!» Irgendwann hatte sie sich auf ihre Hände setzen müssen und die Schultern bis zu den Ohren hochgezogen, um sich dieselbe Leier wie in den letzten zehn anderen Jobvermittlungsstellen auch anzuhören. Die Wirtschaftslage war schlecht, die Leute stellten niemanden ein, es gab keinen Job. Sie mussten es Lucy gar nicht sagen, immerhin erfuhr sie diese unangenehme Tatsache am eigenen Leib.Aber, jammerte die Stimme in ihrem Kopf,ich suche nach einem Job im Hotelgewerbe, und – rief die Jammerstimme immer schriller und beharrlicher –im Hotel- und Gaststättengewerbe gibt es doch immer Jobs!
«Vielleicht, wenn Sie …» Die Frau versuchte ein aufmunterndes Lächeln, das ihre Neugierde aber n