1. Kapitel
Am Abend vor dem letzten Schuljahr
habe ich dich auf der Tribüne gesehen
Du sahst anbetungswürdig aus
Dein Herz schlug für einen Kerl,
der es mit Füßen treten und in Stücke
schlagen wollte
Daria
Fast achtzehn
Das Snake Pit ist heute Abend überfüllt.
So ist es immer, wenn Vaughn kämpft, und Vaughn kämpftimmer. Nasen kann er fast so gut brechen wie Herzen. Falls es jemanden interessiert: Herzen zu brechen ist seine zweitliebste Beschäftigung. Seit er auf der All Saints High ist, sind mindestens sechs Mädchen auf andere Privatschulen gewechselt, um der Qual zu entfliehen, ihn durch die Korridore schlendern zu sehen.
Jeder beliebte Typ von der All Saints High und unserer rivalisierenden Schule, der Las Juntas in San Diego, kämpft hier. Es ist eine Art Initiationsritus. Eigentlich ist das nicht mein übliches Umfeld, aber Blythe, Alisha und Esme haben mich an diesem Abend, ehe das neue Schuljahr beginnt, mit hierhergeschleppt. Sie sind begeisterte Vaughn-Fans. Dieser Wichser hat die Sommerferien beim Bildhauern in einem Atelier in Italien verbracht und ist erst vor zwei Tagen zurückgekommen. Deshalb brauchen sie jetzt ihre Dosis von seinem schönen, ausdruckslosen Gesicht.
Die Wahrheit ist, dass Vaughn zu gefühllos ist, um so etwas wie Liebe, Lust oder auch nur Sympathie zu empfinden. Dies wiederum ist eine Lektion, die sie auf die harte Tour lernen werden. Es macht mir großen Spaß, dabei zuzusehen, obwohl ich natürlich die übliche Oh-mein-Gott-Süße-er-ist-es-überhaupt-nicht-wert-Nummer abziehe.
Randbemerkung gefällig? Er ist esabsolut wert.
»Wie kann jemand, der so brutal ist, derart filigrane Kunst erschaffen?« Blythe kaut auf ihrem roten Arielle-Haar herum, während sie auf Vaughn hinunterstarrt, der auf dem Spielfeld hin und her läuft. Seine abgerissenen schwarzen Klamotten schmiegen sich an seine schlanken Muskeln.
Die Legende sagt, dass das Snake Pit, ein verlassenes Footballstadion in einem Außenbezirk von San Diego, seinen Namen bekam, nachdem es wegen einer Schlangenplage aufgegeben wurde. Auf den verblichenen, beschädigten blauen Tribünen hängen die Jungs herum und trinken Bier. Wir, die Mädchen, sitzen hier mit übereinandergeschlagenen Beinen, schlürfen teuren Wein aus der Flasche und dampfen E-Zigaretten. Die von der Las Juntas sitzen auf der Tribüne gegenüber. Sie tragen keine Klamotten aus der Schweiz und fahren keine deutschen Autos, sondern reichen sich halbvolle Flaschen Tequila und selbstgedrehte Zigaretten weiter.
»Igitt, Blythe, das ist ein Zehntklässler!« Alisha, halb afroamerikanisch, halb niederländisch und ganz und gar hinreißend, macht neben mir Würgegeräusche.
»Ach, halt die Klappe. Du bist doch nicht hergekommen, um zu sehen, wie verschwitzte Nobodys verprügelt werden.«
»Gegen wen kämpft er eigentlich?« Ich lasse eine Kaugummiblase platzen und ziehe mir den dunkelgrünen Samtminirock wieder über die Schenkel. Mein glänzendes blondes Haar ist mit einer schw