: Matthias Biskupek
: Meldestelle für Bedenken Geschichten, Satiren und Grotesken
: EDITION digital
: 9783965214453
: 1
: CHF 4.90
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: Humor, Satire, Kabarett
: German
: 112
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Humorvoll und überspitzt schildert der Autor in zahlreichen Episoden Schwachstellen in der DDR: Die Wohnungspolitik, das Künstler- und Studentenleben, die Bürokratie, die Polizei, Probleme von alt und jung. Das Buch von 1981 ist sehr gesellschaftskritisch und nutzt die 'Narrenfreiheit' eines Karikaristen.

Matthias Biskupek war am 22. Oktober 1950 in Chemnitz geboren worden und wuchs mit zwei Brüdern und einer Schwester in der sächsischen Kleinstadt Mittweida auf. Sein Vater war Lehrer, seine Mutter war Angestellte. Nach Schulbesuch und Abitur mit gleichzeitiger Lehre als Maschinenbauer studierte Biskupek an der Technischen Hochschule Magdeburg technische Kybernetik und Prozessmesstechnik. Von 1973 bis 1976 war er als Systemanalytiker und zeitweise auch als Maschinenfahrer im Chemiefaserkombinat Schwarza bei Rudolstadt tätig. Nachdem er bereits während seiner Schul- und Studienzeit verschiedene literarische Zirkel besucht und mehrfach am Schweriner Poetenseminar teilgenommen hatte, in den achtziger Jahren auch als Seminarleiter, arbeitete er seit 1976 am Theater Rudolstadt, zunächst als Regieassistent, später als Dramaturg, zeitweilig auch als Bühnentechniker, Programmheftzeichner, Inspizient und Kleindarsteller. In den Jahren 1981/82 absolvierte er einen Sonderkurs am Leipziger Literaturinstitut. Seit 1983 lebte er freischaffend in Rudolstadt. 1993 war er Kreisschreiber in Neunkirchen/Saar. 1997 bekam er ein Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, 2000 das Casa-Baldi-Stipendium der Deutschen Akademie Rom in Olevano Romano. 2016 wurde Biskupek mit dem Walter-Bauer-Preis ausgezeichnet. Zu seinen vielfältigen literarischen Arbeiten gehörten Romane, Geschichten, Kabaretttexte, Feuilletons und Features für den Rundfunk sowie in den 1980er Jahren auch Treatments für die DEFA, die jedoch nie zu Filmen wurden. Von 1985 bis zu dessen Auflösung war er Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, 1990 der letzte Vorsitzende des Bezirksverbandes Gera, 1992/93 VS-Vorsitzender in Thüringen. Er ist am 11. April 1921 in Rudolstadt verstorben.
Briefwechsel über Bäume An den Rat der Stadt - Abteilung Wohnraumwirtschaft - Betrifft: Wohnsitz Auf diesem Wege möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich meinen Wohnsitz in einem der Bäume des Stadtparks zu nehmen wünsche. Ich bitte um die Erteilung der Genehmigung dazu. Herzliche Grüße F. Quercks Herrn F. Quercks Betrifft: Wohnraumgesuch Werter Herr Quercks! Bezug nehmend auf Ihr Schreiben teilen wir Ihnen mit, dass die Bäume des Stadtparks nicht in unser zur Vergabe anstehendes Wohnraumkontingent fallen. Darüber hinaus möchten wir Sie darauf hinweisen, dass ein Zuzug nur erfolgen kann bei Nachweis eines Arbeitsverhältnisses in einem volkswirtschaftlich wichtigen Betrieb bzw. aus familiären Gründen. Die Wohnraumzuweisung erfolgt dann über die zuständige betriebliche Stelle. Mit sozialistischem Gruß Sitz Sachbearbeiter Rat der Stadt Abteilung Stadtwirtschaft - Ressort Grünanlagen - Betrifft: Stadtpark Ich bitte um die Genehmigung, meinen Wohnsitz in einem der Bäume (Baumkrone) des Stadtparks nehmen zu können. Die zuständige Abteilung Wohnraumwirtschaft sah sich außerstande, mir einen Baum zuzuweisen. Ich bitte, dass Sie sich der Sache annehmen. Herzliche Grüße F. Quercks Sehr geehrter Herr Quercks! Ihre Anfrage wegen eines Baums (Großgrün) in unserem Park haben wir erhalten. Wir sind sehr erfreut, dass sich Bürger für die ständige Verbesserung der Parksituation einsetzen. Unsere Arbeitskräftelage ist derzeit sehr angespannt. Daher sind wir für jeden ehrenamtlichen Mitarbeiter dankbar, der sich tatkräftig für die Belange des Umweltschutzes einsetzt. Zurzeit sind wir dabei, die persönliche Betreuung der Parkbäume durch die Bürger vollinhaltlich durchzusetzen. Zur persönlichen Betreuung gehören: - regelmäßiges Säubern der Baumscheibe - ständige Untersuchung auf Befall von Schädlingen - Stichproben zur Unterbindung regelwidriger Aktivitäten, die zur Schädigung des Baumes führen können (Beklettern durch Kinder z. B.) - Sammeln von evtl. anfallenden Nutzfrüchten und Verbringung derselben zur Sammelstelle (bes. Kastanien und Eicheln) - terminliche Registrierung des baumspezifischen Jahreszyklus (Knosp-, Blüh- und Entlaubungstermin) zur Erstellung eines Baumkatasters Über weitere Einzelheiten der persönlichen Baumbetreuung würde ich gern mündlich mit Ihnen verhandeln. Selbstverständlich erhalten Sie das Arbeitsgerät von uns gestellt. Mit sozialistischen Grüßen Minschke Ressortleiter Grünanlagen PS: Ihren Scherz, betreffend einen Wohnsitz in einem Baum, haben wir verstanden. Wollen Sie nicht in unserem Karnevalvorbereitungskomitee mitarbeiten? Humor ist eine Hauptschlagader des Sozialismus. Herzlich M. Koll. Minschke Ressortleiter Lieber Herr Minschke! Haben Sie vielen Dank für Ihr ausführliches Schreiben. Auch ich bin der Meinung, dass Parkbäume besser geschützt werden müssen. Jedoch bitte ich dringend, meinen Wohnsitz auf einem der Parkbäume nehmen zu können. Selbstverständlich bin ich gern bereit, die von Ihnen aufgeführten Arbeiten, soweit dies in meinen Kräften steht, durchzuführen. Ich grüße Sie ganz herzlich F. Quercks Koll. Quercks! Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Bäume für private Zwecke, die unseren gesamtgesellschaftlichen Belangen zuwiderlaufen, nicht zur Verfügung gestellt werden. Ich warne Sie, in Ihrem eigenen Interesse, die Stadtparkbäume zu betreten! Maria Minschke Ressortleiter Grünanlagen Durchschlag an das Volkspolizei-Kreisamt Rat der Stadt Abteilung Sozialfürsorge Liebe Genossen! Es gibt in unserem Staat Gesetze. Gute Gesetze. Und diese Gesetze gelten besonders auf dem Gebiet des Mutterschutzes. Vor geraumer Zeit suchte ich darum nach, meinen Wohnsitz auf einem der Parkbäume nehmen zu können. Leider gab es bürokratische Vorbehalte. Inzwischen bin ich durch Verkettung von Umständen schwanger. Sollte es wirklich in unserem Staat nicht möglich sein, mir einen Wohnsitz - im Rahmen der Gegebenheiten - zuzuweisen? Ich weiß um die Probleme der zuständigen Kollegen. Deshalb verlange ich auch lediglich einen gutgewachsenen Baum. Nach Besichtigung einer Reihe von Parkbäumen fand ich dieselben in gutem Zustand und leer. Somit dürfte bei einigermaßen gutem Willen die Möglichkeit bestehen, mir einen der Bäume als Wohnsitz zuzuweisen. Den Ausbau würde ich, unter Inanspruchnahme der dafür bilanzierten Kontingente, selbst übernehmen. Es geht nicht nur um mich. Es geht um mehr! Mit kommunistischem Gruß! F. Quercks Liebe Frau Quercks! Wir haben eingehend über Ihr Problem beraten und es zum Gegenstand einer Leitungssitzung gemacht. Die besondere Fürsorge unseres Staates für alleinstehende Mütter erlaubt uns in Ihrem Fall, schnell und unbürokratisch eine Sonderregelung zu treffen. Sie werden in Kürze eine angemessene Wohnung bekommen. Wir haben den Bürgermeister persönlich für Ihre Angelegenheit verantwortlich gemacht. Er wird sich umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen. Mit sozialistischem Gruß! Das Kollektiv der Abteilung Sozialfürsorge i.A. Kunz ii. Sehr geehrte Frau Quercks! Ich bitte Sie zu einem Gespräch am 12. d. M. 7.30 Uhr in mein Büro. Einziger Tagesordnungspunkt: Schrittweise Verbesserung Ihrer Wohnsituation. Mit sozialistischem Gruß! Müller Bürgermeister Werte Frau Quercks! Da Sie zu dem vereinbarten Termin nicht zur anberaumten Aussprache erschienen sind, nehme ich an, dass Ihre Wohnungsangelegenheit nunmehr gelöst ist. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Kinde noch viel Glück und persönliches Wohlergehen auf Ihren weiteren Lebenswegen. Mit sozialistischem Gruß! Müller Bürgermeister Koll. Müller Bürgermeister Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Selbstverständlich war ich am 12. um 7.30 Uhr vor Ihrem Büro. Es dachte aber niemand daran, mich hereinzubitten. Offenbar war das Gespräch nur als formaler Akt gedacht, durch den Sie eine Eingabe 'abrechnen' wollten. Wenn Sie auf diese Weise gedenken, den Kommunismus aufzubauen, frage ich nur: Mit wem? Genießt nicht besonders eine alleinstehende Mutter alle Rechte? Ihre Handlungsweise muss auch das friedfertigste Wesen auf den Baum treiben! Da ich meine Entbindung herannahen fühlte, musste ich mir und meinem Nachwuchs auf gesetzwidrige Weise eine Unterkunft beschaffen. Ich wohne jetzt in einer der Parkeichen, rechts des Hauptweges. Nun fragen Sie mich aber nicht, wo ich das Baumaterial hernahm! Wurde ich durch Sie und Ihre unzuständigen Organe nicht geradezu auf einen unlauteren Weg gedrängt? Inzwischen habe ich mich mit meinen Kindern behaglich eingerichtet. Ich würde Ihnen nicht raten, mich zu vertreiben! Kein Gesetz dieses Landes gibt Ihnen das Recht, eine alleinstehende Mutter mit ihren Kindern auf die Betonstraße zu setzen. Felindae Quercks und Kinder Aktennotiz zur Eingabe 'Wohnsitz der Familie Quercks' Auf einen entsprechenden Hinweis der Kollegen des Rates der Stadt wurden eine Reihe von Bäumen des Stadtparks von Mitarbeitern der VP durchsucht. Es wurde nichts Auffälliges festgestellt. Lediglich in der Krone einer Eiche befand sich ein Nest (Kobel) eines Eichhörnchens (Scirius vulgaris). Aus tierpsychologischen Erwägungen verzichteten die Genossen der VP auf eine eingehende Untersuchung besagten Nestes (Kobel). Zusatz: Eine Bürgerin Felindae Quercks konnte nicht ermittelt werden. F. d. R. Sitz (Sachbearbeiter)